Heute folgte als Krönung meines ersten kleinen Ausflugs in die Welt des Pu Erh der Yiwu Gushu Sheng 2008. Da der Händler es gut mit mir meinte, konnte ich die Probe in zwei Portionen aufteilen. Zubereitung der ersten ca. 6,5g wie gehabt in einem 160ml (wenn randvoll) Porzellangaiwan, abgegossen wird in einen kleinen Glaspitcher, getrunken habe ich dieses Mal parallel aus einer dünnwandigen, älteren Porzellantasse und jeweils einen kleineren Schluck aus einem modernem Tokoname-Ton-Schälchen.
Aufguss 1 (0:25/90-95°C): Rauch, Holz, getrocknete Blüten, leichte Süße, leicht bitter, Körper/Mundgefühl eher leicht.
Aufguss 2 (0:35/90-95°C): Vor allem recht Bitter-> Wasser zu heiß?
Aufguss 3 (0:45/ca. 90°C): Rauchgeschwängertes Eichengebälk, lange gelagerte Trockenfrüchte/Navyflake, leicht süßlich, mittelkräftig bitter-adstringierend (noch ok), stärkerer Körper/volleres Mundgefühl.
Aufguss 4 (1:00/90-95°C): Bittere dominiert. Wieder zu heiß? Moment! Packung sagt: 100°!-> Wasser zu kalt??
Bis hierher: Unterschiede zwischen Porzellantasse und Tokoname-Teeschale vorhanden aber subtiler, als beim Sencha heute morgen.
Aufguss 5 (1:15/100°C, selbe Temperatur auch im weiteren Verlauf): Erheblich weniger bitter, stärkere Süße, deutlich ausgewogener. Aromenspektrum ähnlich, wird aber leichter, auch das Mundgefühl. Nachgeschmack trocken.
Aufguss 6 (1:30): Wassermenge reduziert: ich habe dazu geneigt, den Gaiwan zu voll zu machen, was zu heißen Fingern und zu dünnem Tee führt. Den Rest der Session klappt das besser. Eindruck vom Tee sehr ähnlich Aufguss 5.
Aufguss 7 (2:00): Aromen leichter aber noch einmal ausgewogener, ziemlich rund jetzt. Ledrige Noten kommen dazu. Noch immer Süße, auch auf den Lippen. Mundgefühl wieder voller. Erster Aufguss, der mir richtig gut gefällt. Aus der Tonschale noch einmal runder (hier wirkt sie offenbar positiv).
Aufguss 8 (2:30): Ich bin baff: irgendjemand muss heimlich die Teeblätter ausgetauscht haben! Eine leichte Zimtnote tritt hinzu. Alles andere ist weiter vorhanden aber wiederum runder, ausgewogener, dabei schön vollmundig. Oder auch ganz ungefiltert: boah, lecker! Jetzt fängt er an, wirklich Spaß zu machen!
Aufguss 9 (3:00): Spiel geht weiter: tolle Sache!
Aufguss 10 (3:45): Etwas schwächer bzw. leichter (aber bitte: es handelt sich um den 10. Aufguss!), dafür meine ich Anklänge von floralen Noten wahrzunehmen.
Aufguss 11 (4:30): Wie der Tee, so das Leben: der perfekte Moment währt nur kurz. Nun beginnt er doch langsam, sich zu verabschieden. Evtl. etwas forciert weil ich unterbrochen wurde und der Gaiwan abgekühlt ist.
Aufguss 12 (5:30): Der langsame Abschied geht weiter, hat aber auch seinen Charme.
Aufguss 13 (7:30): Sehr seltsamer Eindruck: die Aromen sind nur noch zart, das Mundgefühl gleichwohl noch in Richtung vollmundig, das mag aber am Wasser liegen; was mich völlig verblüfft, nein: frappiert ist, dass mir beim Trinken selbst in einem unbeobachteten Moment der Gedanke „der hat richtig Wucht“ durch den Kopf geht - was aber dem sensorischen Eindruck im Mund (Geschmack im eigentlichen Sinne) diametral entgegen läuft. Sehr merkwürdig.
Wollte eigentlich Schluss machen, aber da muss ich dann doch noch einen Aufguss machen! Mal schauen, ob ich dem nachspüren kann.
Aufguss 14 (ca. 15min): Tatsächlich: nach den – ich wage es kaum so zu nennen – vordergründigen Aromen (eine zarte Trockenobstsüße ist nach der langen Ziehzeit noch recht deutlich zu schmecken) bemerke ich nun eine Dimension des Tees, die mir so bisher überhaupt noch nicht untergekommen ist. Mir fällt nichts Besseres ein, als es mit „Schwere“ und „Stärke“ zu benennen, diese eher eine Sache des Mundgefühls (der Tee hat zunehmend weniger Geschmack im eigentlichen Sinne, hinterlässt aber dennoch den Eindruck „Vollmundig“), jene eher analog zu einem alkoholischen Getränk: natürlich habe ich auch bisher schon das Koffein gespürt aber das ist etwas anderes, das ich noch nicht in Worte fassen kann. Nicht besonders geistreich, fürchte ich, aber ich möchte es dennoch mit Mr. Spock sagen: „faszinierend“!
Aufguss 15 (ca. 20min): Ähnlicher Gesamteindruck, weiter vollmundig, nicht mehr so wuchtig aber immer noch sehr gut!
Aufguss 16 (ca. 25min): Dummerdings vergessen, den Gaiwan abzudecken: erstaunlich, was da trotzdem noch raus kommt!
Aufguss 17 (ca. 30min): Ein letzter Aufguss für heute. Er ähnelt den beiden zuvor und langsam wird es dann doch ein Abschied. Leider wird mir das Wasser knapp und den Morgen möchte ich mit einem schönen Sencha begrüßen. Aber es ist ja noch genug Tee für eine zweite Session übrig und da werde ich zum Schluss mal den letzten Aufguss über Nacht stehen lassen.
Edited by Teetim
0 Comments
Recommended Comments
There are no comments to display.
Join the conversation
You are posting as a guest. If you have an account, sign in now to post with your account.
Note: Your post will require moderator approval before it will be visible.