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Tee in der Literatur/Poesie


Empfohlene Beiträge

"Coelum non animum mutant qui trans mare currunt" Horaz

und im Hintergrund spielt John Coltrane Naima

und man stellt eine Entdeckung vor: Jonathan Swift: Gullivers Reisen

aus dem Englischen übersetzt von Christa Schuenke

erschienen als Neuausgabe im Manesse Verlag zum wohlfeilen Preis von 28 € und somit als Weihnachtsgeschenk zu empfehlen und ans übervolle Herz zu legen.

Jeder kennt Gullivers Reisen! Aber das ist ja gerade das Elend! Jeder kennt Gullivers Reisen, aber nur in den verdammungswürdigen gereinigten Kinderfassungen, Cassetten, CD's oder als Verfilmung. Die wenigsten haben das ganze Buch gelesen - und das ist jammerschade.

Nun zum 350. Geburtstag von Jonathan Swift am 30. 11. (das ist übermorgen und noch genug Zeit hin sich mit Alkohol und Speisen einzudecken um diesen Geburtstag feierlich zu begehen) hat der Manesse Verlag dieses Buch neu herausgebracht.

Und so hübsch herausgebracht:

Umschlag und Vorsatz gestaltete das Münchner Favoritbüro unter Verwendung einer Zeichnung aus der Erstausgabe von Swifts Gulliver. Auf dem Umschlag (türkis, aber viel hübscher als man sich diese Farbe normalerweise vorstellt) sind die Inseln mit Gold gezeichnet, auf denen Gulliver strandet, auf dem Vorsatz findet man Wellen, das Lesebänchen ist in einem warmen Gelb gehalten und die Fadenheftung auch. Äußerlichkeiten.

Äußerlichkeiten sind wichtig in einer Welt in der nur noch auf "innere Werte" geachtet wird.

Fakt ist, wenn man diese Buch einem Menschen schenkt, der weiß was Schönheit ist macht man sich nicht zum Trottel.

Die Geschichte nacherzählen um die es geht ist albern - die kennt ja schon jeder - von wegen.

Was nicht jeder weiß ist, daß gegen Swift Jan Böhmermann ein satirisches Leichtgewicht ist.

So hat er ein Pamphlet verfasst (Swift): "A Modest Proposal" in dem er sich mit der Armut in Irland befasst. Er bietet Lösungsvorschläge an, die zu mindestens "ungewöhnlich" sind: von den jährlich (1729 wurde der Text veröffentlicht) 120 000 irischen Kindern, die in Armut hineingeboren werden, sollen 20 000 pro Jahr zu Fortpflanzung aufbewahrt werden, die übrigen 100 000 sollen an "Personen von Qualität und Vermögen" zum Verzehr verkauft werden.

"A Modest Proposal" ist eine der wichtigsten Satiren der Weltliteratur und sollte gelesen werden. Danach liest man Gullivers Reisen anders und es wird einem klar was für ein Unfug es ist "Kinderausgaben" von solchen Büchern herzustellen.

Mein Rat: unbedingt kaufen, diese Ausgabe des Gullivers, lesen und verschenken z. B. an Weihnachten.

 

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  • 2 Monate später...

"Ich halt‘ es für schwer, einer Geliebten einen Pfefferkuchen zu schenken, weil man ihn oft kurz vor der Schenkung selber verzehrt." schreib Jean Paul im  Schulmeisterlein Wutz

Ebenso ist es mit den Preziosen unter den Büchern. Man nimmt sich vor sie der geneigten Leserschaft vorzustellen, allein es geht einem wie Jean Paul - man schaut hier, man schaut da, knappert ein wenig, probiert, kostet, verschlingt und die Zeit vergeht und die Besprechung ist immer noch nicht geschrieben.

Freut euch auf etwas Schönes: Die Besprechung von : 

„Die neunundsechzig Stationen des Kisokaido“  von  Keisai Eisen und   Utagawa Hiroshige ein Meisterwerk der  japanischen Holzschnittkunst  erschienen als Reprint im Taschen Verlag.

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vor 3 Stunden schrieb Paul:

Freut euch auf etwas Schönes: Die Besprechung von : 

„Die neunundsechzig Stationen des Kisokaido“  von  Keisai Eisen und   Utagawa Hiroshige ein Meisterwerk der  japanischen Holzschnittkunst  erschienen als Reprint im Taschen Verlag.

Hmm, also mal wieder ein ganz typisches Paul Thema, aber heute, wo ich andernorts dich aus transsubstantiationellen Gründen schon mit einem Kuss bedroht habe, sei dir sogar das verziehen.

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Reisen kann man auf sehr verschiedene Arten.

Alleine mit Rucksack, als Studienreise mit Studienräten, Busreisen, per pedes, mit dem Flugzeug, Auto, Boot, früher "trampte" man (gibt es das eigentlich noch?) ....

Meine bevorzugte Art zu reisen,  ist mit Büchern. Eine neue Lebensreise kann ich ab jetzt auf dem Kisokaido machen, denn dankenswerter Weise hat der Taschen Verlag einen traumhaft schönen Band im "XXL" Format herausgebracht: Hiroshige & Eisen: Die neunundsechzig Stationen des Kisokaido, zum Preis von 100 € (und davon ist jeder Cent gut angelegtes Geld !).

Mit was fängt man an?

Ein wenig Geschichte?  Während der Togugawa Zeit oder Edo Periode, die von 1603 bis 1868 dauerte (der längsten Friedensperiode in der japanischen Geschichte) war Japan nach außen abgeschlossen und hatte zwei Hauptstädte: Edo und Kyoto. Zwischen diesen gab es aus verschiedenen Gründen einen regen Reiseverkehr. Eine Strecke führte an der Küste entlang und hieß Tokaido, der Kisokaido führte ca. 500 km durch das Landesinnere.  Wagen waren verboten auf diesen Wegen, man reiste also zu Fuß, in der Sänfte oder zu Pferd. Und wer alles reiste! Fürsten und ihr Gefolge mit großem Pomp, Geschäftsleute, Mönche, Nonnen, Pilger, Musikanten, Schausteller, Nutten, Verbrecher, Urlauber, Wallfahrer, Neugierige, Heimatlose. Ein unvorstellbares Gewimmel. Hin und her, drunter und drüber; aber alles überwacht, geplant und organisiert von der Regierung.

Luxusherbergen für die Fürsten, Absteigen für die Bettler, Unterkünfte für jede denkbare Art von Gast. Jeder Ort hatte Spezialitäten, die man probieren mußte, Andenken die man mitbringen mußte, Medizin die man kaufen mußte, Aussichten, die man betrachten mußte, Sängerinnen die man gehört haben mußte, Tänzerinnen die man gesehen haben mußte usw. usw.

Das konnte man nur schaffen wenn man einen Reiseführer hatte, mit Bildern und Auflistungen von Unterkünften, Abkürzungen, Informationen halt, wie sie der heutige Reisende immer noch braucht (schweig oh Seele über den Verfall der heutigen Zeiten, wo so etwas alles auf dem Smartphone ist) und da sind wir beim japanischen Farbholzschnitt bei Hiroshige, Eisen und Hokusai den drei Göttern des Ukiyo-e .

Ukiyo-e bedeutet "Bilder der fließenden Welt" und ist ein grober Sammelbegriff für den japanischen Farbholzschnitt der Edo - Zeit. Na auf jeden Fall haben wir eine Menge Farbholzschnitte die uns das Leben auf den großen Wanderwegen dieser Zeit zeigen: Landschaftsbilder, Aussichten, sich prügelnde Blinde und Bettler, Teetrinkende Reisende denen ein gebücktes Mütterchen am Wegesrand heißes Wasser ausschenkt, durchgehende Pferde, Träger mitten im Fluß, die Reisende auf ihrer Schulter (meist) trocken ans andere Ufer bringen, Nutten die sich um Kunden prügeln, Wasserfälle, Bergstraßen, Reisfelder und immer wieder wunderschöne junge Frauen, die einsam in die Nacht schauen in der sanft der Schnee auf die Dächer fällt.

Bilder zum blöd werden schön,  und wenn man sie einmal gesehen hat,  eingegraben für ewig in unser Hirn bis zu einem hoffentlich noch fernen Tage  da der gnädige Tod uns bei der Hand nimmt und uns führt auf dem Kisokaido von Edo nach Kyoto; und wenn wir ein gutes Leben geführt haben, dürfen wir vielleicht auf dem Tokaido zurückgehen - und die Bilder werden lebendig sein und wir werden am Straßenrand sitzen und Tee trinken oder auf einer Brücke stehen den Wind im Rücken und das Paradies vor uns sehen. 

So wird es sein!

Zu danken ist dem Taschen Verlag, der uns mit dieser Veröffentlichung einen Zipfel des Paradieses schon jetzt in die Hand gibt:

https://www.taschen.com/pages/de/catalogue/art/all/01159/facts.hiroshige_eisen_die_neunundsechzig_stationen_des_kisokaido.htm

 

 

 

 

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  • 2 Wochen später...

Bai Juyi (白居易)
Späte Heimkehr auf der Straße von Pingquan an einem Wintertag

Wie beschwerlich, auf dem Bergpfad zu reisen.
Schon steht die Sonne tief.
Im vernebelten Dorf ein eisiger Baum
Dient einer Krähe zum Sitz.
Vor Einbruch der Nacht komm ich nicht an,
Doch kümmert mich dies nicht .
Drei heisse Tassen Tee getrunken
Und ich bin zu Haus.

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  • 2 Wochen später...

Zur Zeit der Tang-Dynastie lebte im 'Klausengebirge' Lu Shan ein merkwürdiger Mann. Sein Name war Lu Tong; er wurde im Jahr 798 geboren. Obwohl er das zurückgezogene Leben eines taoistischen Einsiedlers führte, so wurde er doch weithin als Dichter und vor allem als Teemeister geschätzt und bewundert, worauf schon sein Literatenname 'Jadequelle' hinweist: 'flüssige Jade' ist ein poetischer Ausdruck für Tee. Er übte sich im Wu-Wei, in absichtsloser, spontaner Aktivität - und diese Aktivität war vor allem das Rezitieren von Gedichten und die Zubereitung von Tee. Er war dem Tee so sehr zugetan, dass manche seiner Zeitgenossen ihn für verrückt hielten. Eine Zeile eines seiner Gedichte, die ihn wohl am besten charakterisiert, lautet:

Mich kümmert nicht Unsterblichkeit - nur der Geschmack von Tee.

Etwa hundert Gedichte sind von ihm überliefert – darunter das berühmteste Tee-Gedicht überhaupt; der immer wieder zitierte 'Gesang von den sieben Schalen Tee'. Er gehört zu einem längeren Gedicht, das den etwas umständlichen Titel trägt: 'Dankschreiben an Zensor Meng für eine Sendung frisch gepflückten Tee'.

Der Zensor Meng, dem das Gedicht gewidmet ist, war wohl ein Nachkomme des konfuzianischen Philosophen Meng Zi (Mencius) und hatte als solcher (wie auch die Nachkommen des Kung Zi / Konfuzius) ein Erbamt am kaiserlichen Hof inne – er durfte und sollte den Lebenswandel des Kaisers begutachten und - wenn notwendig - kritisieren. Kein ganz ungefährliches Amt … So ist auch der augenzwinkernde Humor des letzten Verses zu verstehen, wo der Taoist Lu Tong den so überaus wichtigen konfuzianischen Hofbeamten mit leiser Ironie bedenkt.

Dankschreiben an Zensor Meng
für eine Sendung frisch gepflückten Tees

hoch stand die sonne schon am himmel,
als tief ich noch im schlafe lag -
da reisst mit schlägen an das tor
ein offizier mich aus den träumen.

er sagt, der zensor sende mir
ein schreiben – zur beglaubigung
baumeln drei siegel an der hülle
aus schwerer, steifer, weisser seide.

das siegel geöffnet - und schon
seh ich des zensors gesicht vor mir.
er schickt dreihundert päckchen tee -
handverlesen, wie monde geformt -

zum verkosten, denn im neuen jahr
schreckten schritte auf einem bergpfad
die mücken aus dem winterschlaf
erwachend mit dem frühlingswind.

der kaiser selbst, er muss noch warten
auf den geschmack des yang-xian-tees
und etliche kräuter wagen
noch nicht, schon die blüten zu öffnen.

in freundlicher brise reifen
in keim und knospe verborgen
wie perlen, noch ehe der frühling
sie austreibt, die goldgelben sprossen.

frisch gepflückt, am feuer getrocknet,
noch duftend gerollt und verpackt,
ward ihre essenz aufs beste,
wahrlich unübertrefflich bewahrt.

eine zu große ehre ist dies
für mich, die kaiser und fürsten
nur gebührt; wie kam dies geschenk
zur hütte des mannes der berge?

------------------------------------

das tor aus reisig schließe ich,
so dass kein ungeschliffner gast
mir nahekommen möge;
die seidenkappe setz ich auf,
für mich in meiner weidenhütte
ihn aufzugiessen und zu trinken.

da steigen jadewolken auf,
doch ohne dass ihr hauch
das treiben weisser blüten störte
deren leuchten sich verdichtet
auf der schale spiegel.

----------------------------------

die erste schale tee, sie netzt
mir kehle und lippen, die zweite
zerbricht meine melancholie.

die dritte schale aber sickert
mir tief ins gemüt, das verdorrt
von den worten tausender bücher war.

die vierte schale tee
ruft leichtes schwitzen hervor,
befriedet allen kummer des lebens

und treibt ihn zu den poren hinaus.
die fünfte schale tee, sie klärt
und reinigt mich durch und durch.

die sechste schale macht meinen geist
den unsterblichen zum genossen -
die siebte zu trinken vermag ich nicht.

und doch erwachen mir flügel, sie tragen
mich geläutert im wind des lebens.

----------------------------------------

wie verweilt man in jenen bergen,
wo die unsterblichen wohnen?
jadequell reitet diesen reinen wind,
heimkehr ersehnend nimmt er abschied,

zu jenen bergen, in deren mitte
unsterbliche die niedere erde regieren;
zum reinen, erhabenen thron der welt
jenseits von wind und regen.

wo friedvolles verstehen ist
der zahllosen schicksale rastlosen lebens -
das in stetem verfall, wie ein sturz in den abgrund
sein bitteres los empfängt.

gelegentlich werd ich den zensor befragen
über dieses geschäftige leben:
ob es nicht erfüllung kennt,
sammlung, erlangen, erneuerung, ruhe.

Im Jahr 835 kam Lu Tong auf Einladung des Zensors Meng an den Hof des Kaisers Li Ang (Tang Wen Zong, 826-840). Ob er Gelegenheit fand, den Zensor über das "geschäftige Leben" zu befragen, weiss man nicht. Jedenfalls aber erfuhr er nun selbst eines jener "zahllosen Schicksale rastlosen Lebens, das in stetem Verfall, wie ein Sturz in den Abgrund, sein bitteres Los empfängt".

Lu Tong geriet in die Wirren des "Tau-Zwischenfalls". Der Kaiser und einige seiner Vertrauten wollten die Herrschaft der Palasteunuchen brechen, die längst die eigentlichen Machthaber geworden waren und schon Li Angs Vorgänger ermordet hatten. Es wurde das Gerücht gestreut, ein Granatapfelbaum im Palast sei mit Tau bedeckt - und dort wurde ein Hinterhalt gelegt. Die Eunuchen wurden eingeladen, das günstige Omen des betauten Baumes in Augenschein zu nehmen; jedoch wurde der Anschlag vorzeitig entdeckt und der Kaiser als Geisel genommen. Er wurde bis zu seinem Tod unter Hausarrest gestellt und etwa zweitausend tatsächliche und angebliche Verschwörer wurden geköpft – darunter auch Lu Tong, dem sein hochrangiger Freund und Gönner nun zum Verhängnis wurde.

Wenn ich die letzten Verse - den vierten Abschnitt - dieses Gedichtes lese, kommt mir unweigerlich ein anderes Gedicht in den Sinn - eine Resonanz, ein ergänzendes Gegenstück aus anderem Blickwinkel, durch ein Jahrtausend und eine halbe Welt getrennt: 'Hyperions Schicksalslied' von dem unglücklichen Friedrich Hölderlin:

Ihr wandelt droben im Licht
Auf weichem Boden, selige Genien!
Glänzende Götterlüfte
Rühren euch leicht,
Wie die Finger der Künstlerin
Heilige Saiten.

Schicksallos, wie der schlafende
Säugling, atmen die Himmlischen;
Keusch bewahrt
In bescheidener Knospe,
Blühet ewig
Ihnen der Geist,
Und die seligen Augen
Blicken in stiller
Ewiger Klarheit.

Doch uns ist gegeben,
Auf keiner Stätte zu ruhn,
Es schwinden, es fallen
Die leidenden Menschen
Blindlings von einer
Stunde zur andern,
Wie Wasser von Klippe
Zu Klippe geworfen,
Jahr lang ins Ungewisse hinab.

_()_

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Nach der liebevollen Vorstellung Lu Tongs, @SoGen sei dafür ausdrücklich gedankt, noch zwei Perlen, die man im Bücherschrank - besser neben dem Teetisch haben sollte:

Zen Gedichte von Ryokan

https://www.kristkeitz.de/welcome.htm?/t/756.htm

DU FU GEDICHTE, DIETERICH'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG

Keine Besprechung der beiden Bände - Kaufen! Lesen!

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Meinen herzlichen Dank, @Paul, an dieser Stelle für Deine regelmäßigen Literaturtips! Deiner Aufforderung werde ich wohl umgehend Folge leisten ;) Die von Dir vor einiger Zeit empfohlene Reclam-Ausgabe des Shijing hat mir große Freude bereitet und bei Deinen neuesten Empfehlungen halte ich das ebenfalls für sehr wahrscheinlich :)

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Danke für die Blumen @nemo, der Ryokan kostet nur 7,80 € und gehört zu den 10 Büchern die ich auf eine einsame Insel mitnehmen würde.

Das Shijing liegt neben meinem Teetisch, an dem man ja meistens alleine sitzt und wenn es mir danach ist singe ich daraus einzelne Lieder nach. z. B. :

Zerbrochene Äxte

Schon brach meine Streitaxt

und splitterte mein Schlagbeil.

Herzog von Zhou zog gen Osten,

die vier Länder der Fonde wurden auf den rechten Weg gebracht.

Er fühlte mit meinen Leuten,

er - ein sehr Starker.

Herrlich sind die großen Rituallieder oder die Hymnen der Zhou, aber dafür braucht es schon einen ordentlichen Tee, der etwas länger durchhält.

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  • 2 Wochen später...

Bratwürste!

Bratwürste?

Bratwürste, ist das was Lieschen Müller/Otto Normalverbraucher (die Genderbeauftragte liest mit) als erstes zu Nürnberg einfällt und wir sind auch nicht viel besser wenn es um Japan geht.

Ein paar alte verstaubte Teestandards, ein wenig vom letzten Samurai - natürlich in der ergreifenden Hollywoodfassung, Basho,Ryokan und einige Kurosawa Filme das war es dann auch schon.

Dem Einhalt zu gebieten und Veränderung in Gang zu setzen ist der von mir hochverehrte Manesse Verlag angetreten mit einer an 19. März d. J. erschienenen  Ausgabe der  modernen Tankas von Wakayama Bokusui: IN DER FERNE DER FUJI WOLKENLOS HEITER.

Haiku meint jeder Gebildete zu kennen;  was anderes ist es aber mit dem Ursprung des Haiku dem Tanka, der ältesten Gedichtform Japans. Diese 31 Silben in 5 Zeilen findet man zwar oft in Gedichtsammlungen.

Hier aber nun liegen über 250 Tankas von Wakayama Bokusui ( 1885 - 1928 ) erstmals in deutscher Sprache vor; und die sind was Besonderes!

Bokusui (Tanka Dichter werden mit dem Vornamen genannt) verkörpert mit seinen Gedichten das Moderne Ich nach der Neuordnung der Meiji-Restauration. Weg von den Zwängen der feudalistischen Gesellschaftsordnung sieht sich das Individuum in eine vollkommen neue Welt geworfen, strampelnd und prustend gegen den Untergang ankämpfend und unsterblich in dem Wissen um die Einzigartigkeit seiner Erfahrungs-  und Gefühlswelt.

Ein Beispiel?:

Im Dunkeln

ist es nun kühler - noch kühler

der Sand

Ich lege mich nieder am Strand

lausche den schwarzen Fluten

Sommer 1906/07 !

 

Wakayama Bokusui, IN DER FERNE DER FUJI WOLKENLOS HEITER, moderne Tanka, aus dem Japanischen übersetzt und mit einem Nachwort von Eduard Klopfenstein, 144 Seiten, gebunden 16 €, Manesse Verlag

Eine uneingeschränkte Lese- und Kaufempfehlung - mit einer kleinen Zähre: Bokusui war ein größerer Sake als Tee Trinker.

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  • 2 Wochen später...

Damit man nicht des rückwärtsgewandten Ästhetizismus zeiht:

Dennis Gastmann, Der vorletzte Samurai, Ein Japanisches Abenteuer, rowohlt Berlin, 19,95 €

Dennis Gastmann, geboren 1978, Reporter für die Auslandsmagazine der ARD hat geheiratet. Natsumi, Samuraitochter (mütterlicherseits) und eine hafu (eine halbe Japanerin und gut verdienende Bankerin). Er fährt mit ihr nach Japan, Hochzeitsreise und Verwandtenbesuch.

Das ist schon interessant, wie ein weltgewandter 40-jähriger Japan heute sieht.

Lang ist es her, da war der Werbespruch eines großen deutschen Reiseführers:  Man sieht nur, was man weiß. Geklaut; aber gut geklaut - nämlich von Goethe - und wahr. Deshalb schreiben alle Autoren, angefangen mit Engelbert Kaempfer (1651-1716) über das unbekannte Land er aufgehenden Sonne über:  und auch Dennis Gastmann macht sich auf in  "ein Land, das noch immer unvergleichlich fremd und geheimnisvoll wirkt."

Also schreibt es über Roboterrestaurants, die Sauberkeit und Pünktlichkeit der Züge, das Neongewitter der Großstädte, die hochtechnisierten Toiletten (warum schreiben alle über diese Toiletten? wir scheißen doch in Mitteleuropa auch nicht mehr auf den Misthaufen im Hof), die 50 Millionen Touristen die Kyoto jährlich heimsuchen ( das Fremdenverkehrsamt von Kyoto gibt die Zahl von 56 Millionen Übernachtungen an - aber wer wird den so pingelig sein?) , über die Alkoholexzesse der überarbeiteten Angestellten und was es noch so alles an Versatzstücken in der Verwunderungskiste des Mitteleuropäers steckt.  

Interessant wird es da, wo er über die Familientreffen schreibt, da ist Fleisch, da ist eigenes Erleben und das Staunen der "Langnase" über sein Getrenntsein von dieser Welt.

Fazit: Literatur ist es nicht, allemal nett und unterhaltsam zu lesen und mir hat es eine Menge Geld und Zeit gespart, denn ich weiß nun warum ich nicht nach Japan fahre und meinen Tee bei den Leuten kaufe, die die Mühe einer solchen Reise auf sich nehmen.

P.S. Etwas Erstklassiges steht auf Seite 9 und soll  hier zitiert werden:

Komm, lass uns gehen

Schnee schauen, Sake trinken

Taumeln wie Flocken

Matsuo Basho (1644 - 1694)

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  • 1 Monat später...
Am 13.4.2014 um 16:39 schrieb Paul:

Tee und Glück.

Wer des Lesens mächtig ist und nicht gleich zusammenbricht und ein Buch haben will - in welchem  ein Satz aus mehreren ineinandergeschachtelten Nebensätzen besteht, die sich aufeinanderbeziehen, Zusammenhänge erklären, Wissen vermitteln ohne doctrinär zu sein, dem eigenen Denken Vorschub leisten durch neue Sichtweisen und Bezüge -  das zu besitzen erstrebenswert ist, aber nur für den, dem es Spaß macht hinter die Bretter zu schauen, die die meisten Menschen vor dem Kopf haben und der sich nicht fürchtet vermeindlich für immer feststehende Meinungen wackeln zu sehen,  sich am Zusammenstürzen solcher Denkgebäude erfreut, ohne dabei von Sorgen über die eigenen Fundamente des Denkens gepeinigt zu werden, dem Ganzen den Spaß abgewinnt, den Denken mit Wissen verbunden bietet, der sollte und muß sich falls er sich zufälliger Weise auch noch für China interessiert folgendes Buch kaufen:

Wolfgang Bauer: China und die Hoffnung auf Glück, dtv (schlechter Druck, aber anders nicht zu bekommen)

Und manchmal hat man Glück und kann sich selber zitieren, und dann hat man nochmal Glück und C. H. Beck bringt ein Buch auf den Markt für wohlfeile 14, 95 €:

Wolfgang Bauer, Geschichte der chinesischen Philosophie

Konfuzianismus, Daoismus, Buddhismus

Herausgegeben von Hans van Ess

C.H.Beck  München 2018

Anständiger Druck, lesbar - wunderbar!

Wer die Nase voll hat von den ganzen "nachmittags mit Freundinnen im Garten Yoga Buddhisten" (bei denen es fast immer schlechten Tee gibt - zur Ehrenrettung sei darauf hingewiesen, daß die Parfüms meist erblich besser sind) und mal das ein oder andere genauer wissen will, soll sich dieses Buch kaufen und nicht nur kaufen sondern auch lesen!

Fundiert, wissenschaftlich ohne dröge zu sein und was am hübschesten ist, daß der erhobene Zeigefinger der Besserwisserei fehlt..

Ein Beispiel?: ... daß sich die frühesten Philosophen in der bunten Schar von Männern finden, die die verschiedenen kleinen und großen Fürstenhöfe seit der Mitte des ersten vorchristlichen Jahrtausends bevölkerten, und eben nicht nur aus Philosophen, sondern ebenso auch aus Künstlern und nicht zuletzt auch aus Taschenspielern, Gauklern, Haudegen und allem möglichen Gelichter bestanden."

Fazit: Ein  Mann, der Worte benutzt wie Haudegen und Gelichter muß man lesen.

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Danke für diesen Tip. Das ist sicher eine schöne Ergänzung zu diesem Handbuch, zu dem ich öfter mal greife:

P. Eugen Feifel S.V.D.

Geschichte der chinesischen Literatur

mit Berücksichtigung ihres geistesgeschichtlichen Hintergrundes

dargestellt nach Nagasawa Kikuya: Shina Gakujutsu Bungeishi

zweite, neubearbeitete und erweiterte Auflage

Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1959

Wird derzeit u.a. antiquarisch bei Amazon für 0,77 € (plus 3 € Versand) angeboten.

_()_

 

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  • 4 Wochen später...
  • 3 Monate später...

Gedichte Gedichte Gedichte:

1.: Hölty-Preis  dieses Jahr an Norbert Hummelt. Wer ist das? Nachschauen lohnt. Ein Gedicht?

 

strandschrift

was für verweise. welche signaturen
hier sind die muscheln, hier
ist was geritzt, hier was unleserlich
mit einem stock geschrieben. hier
hat ein wattwurm deutlich
seine spuren. an diese bootswand
wurde frisch gepisst. dies
ist der rostige besagte schuh. hier
ist ein zeichen das ich nicht
begreife. hier sind die kiesel
hier ist sand u. tang, anbei ein hund
von dem ich gern erführe, wonach
er scharrt, was er erblicken kann
im windgebeutelten gekrümmten mann
in dessen jacke die zitronenseife.

ich habe windgewelltes gras gesehn
dort zwischen steinen, moos vielleicht u. farn
mein steifer gang, mein schauen
mein ertapptes horchen: dort
sitzt der vogel, dort im rhododendronbusch
u. ruft u. widerruft
seit wann, wie lange
sein jeder ruf bemisst mir noch ein jahr
ich habe mitgezählt
u. mir wird bange

 

2.: Für @GoldenTurtle Albin Zollinger, Stille des Wunders, Gedichte, Verlag Volk und Welt 1984

Ein Guter, der Albin! Ein Gedicht?

 

Seele der Bauern

Wenn das Korn in den Mond ragt,

Weht die Seele zum schlummernden Munde heraus.

Des Bauern Seele

Geht im Ried.

Da scheinen Lichter im Wasser herauf.

Des Bauern Seele geht mit den Hexen,

Dreht die Gehenkten,

Gräbt die Toten aus,

Fährt aus dem Feuerhorn.

Des Bauern Seele

Knarrt in den Mäulern der Frösche.

 

3.: Für @SoGen T`ao Ch'ien / Tao Yuanming fällt sicherlich unter Spezialwissen, aber daß ihn Olav H. Hauge "bedichtet" hat, dürfte Dir gefallen

 

T'ao Ch'ien

Kommt T'ao Ch'ien

eines Tages auf Besuch, will ich

ihm meine Kirsch- und Apfelbäume zeigen,

am liebsten ist es mir, er kommt im Frühling,

wenn sie in Blüte stehen. Danach werden wir bei einem Glas Zider

im Schatten sitzen, vielleicht kann ich ihm

ein Gedicht zeigen - falls ich eines finde, das ihm gefällt.

Die Drachen, die über den Himmel schießen mit Gift und Rauch hinter sich,

glitten stiller in seiner Zeit, und mehrere Vögel zwitscherten.

Hier ist nichts, was er nicht versteht.

Mehr denn je hat er Lust, sich

in solch ein Gärtchen zurückzuziehen.

Aber ich weiß nicht, ob er es mit gutem Gewissen tut.

 

 

 

 

 

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  • 2 Wochen später...
  • 1 Monat später...

Schade daß Roger Willemsen kein Pu-erh Trinker war!

Es wäre ein Genuß gewesen seine Teebesprechungen zu lesen; allein er ist gestorben ohne dieses Feld zu beackern. Vielleicht sitzt er jetzt auf einer Wolke hört Coltrane und holt das versäumte mit einem Schälchen Sheng nach?

Wer jetzt fragt: "Willemsen, wer war'n das?" soll aufhören zu lesen und mit dem Kopf gegen die Wand schlagen, es ist ihm nicht mehr zu helfen!

Posthum ist dankenswerter Weise beim S. Fischer Verlag: Roger Willemsen,  herausgegeben von: Insa Wilke  Musik! Über ein Lebensgefühl erschienen.

Ein Buch das  Texte von ihm über Jazz/Klassik enthält. Wer das Glück hatte ihn im Radio zu hören z. B. bei Willemsen legt auf im NDR, der hört beim lesen des Buchs seine Stimme und natürlich auch die besprochene Musik, falls man die nicht sowieso im Kopf hat.

Wir TeeNerds werde belächelt von Außenstehenden und man hängt es nach Dutzenden von mitleidigen Blicken auch nicht mehr an die große Glocke, daß man hunderte von Kilometern fährt nur um mit einem ausgewiesenen Fachmann Wasser aus verschiedenen Tetsubins zu trinken -  die Unterschiede  schmeckt und sich darüber austauschen kann. Genau solche  Nerds sind die Jazzer (nur halt mehr als wir) aber wir haben gemeinsame Schnittstellen.

Das Buch fängt mit einer Meditation über Stille an, ein eleganter Einstieg ! Ein Zitat von Yehudi Menuhin führt Willemsen zu der Erkenntnis: "So betrachtet, führt Stille in eine Reglosigkeit der Bewegung, in ein Schweigen alles Sprechenden, in die berede Pause zwischen den Mitteilungen, in den Transitraum von Zuständen abseits von Aktionen: Man öffnet eine Schublade zur Hälfte, nimmt aber nichts heraus... Man verzögert sich und ist in diesem Augenblick bei sich, festgehalten von einem Zustand vor der Tat, gebrochen in der Nicht-Identität mit dem eigenen Handeln und doch eingefroren in der Immunität des Moments."

Schöner kann man den kurze Moment des Innehaltens vor dem gießen des Wassers nicht beschreiben.

Auf fast 500 Seiten führt er uns durch seine Welt der Musik und seine Art des Hörens, wenn man sich darauf einläßt wird man Schätze finden, die einem das eigene Leben bereichern.

Roger Willensen war ein Großer!  Der 7. Februar 2016,  sein Todestag, war ein dunkler Tag - aber über diesen Tag hinaus leuchtet seine Liebe zur Musik und sein Spaß an der Fabulierkunst herüber; herüber in die Welt der Lebenden. Und das muß man erst mal schaffen!

Deswegen meine unbedingte Empfehlung für Weihnachten: Kaufen, Kaufen, Kaufen!

Zwei Stücke die auf seiner Beerdigung gespielt wurden:

 

Bearbeitet von Paul
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