Ich hab jungen Sheng getrunken, ich hab gealterten Sheng getrunken. Auch wenn ich noch unerfahren bin, der Unterschied ist deutlich. Was ich bei jungem Sheng trinke, ist mehr oder weniger klar: es geht ganz um die Teeblätter. Das Produkt der Planze (Cultivar, Terroir usw.) steht im Vordergrund. Beim gealterten Sheng steht dann also das Ergebnis der Lagerung im Vordergrund? Die Faszination macht vermutlich eher die Komplexität des Zusammenspiels von Eigenschaften der Teeblätter mit jenen der Lagerung aus.
Ich hab sicher noch nicht genügend Tee getrunken, um die Aussage zu verallgemeinern, aber tendenziell bekommen gelagerte Shengs mit dem Alter mehr Körper, der sich lange hält. Bisher habe ich gefunden, dass sich das besonders mit fortgeschrittenen Aufgüsse zeigt. Als hätte der junge Sheng wenig Zeit, kommt er direkt zur Sache: Hier bin ich, so schmecke ich. Gerade die ersten Aufgüsse sind sehr intensiv, danach wandeln sie sich - vergleichsweise - wenig. Ein alter Sheng könnte dem entgegen: Viel Wirbel, wenig dahinter bei der ungeduldigen Jugend. Als kenne Puer kein Lebensende, steigt auch mit gestiegenem Alter die Aufgussfähigkeit. Bisher scheint es mir, beim gelagerten Sheng zeigt sich die Lagerung besonders am Anfang und am Ende (das sich lange ziehen kann - der Tee ist da häufig geduldiger, als ich selbst).
Für mich ist Teetrinken eine Art der Kommunikation. Alter Sheng hat viel zu erzählen und macht das in der Regel unaufgeregt. Er schreit nicht so wie der ungehaltene Jungspund, der glaubt sich schnell beweisen zu müssen. Trotzdem ist die Erzählung des Alten vielleicht umso ausführlicher und wechselseitiger, je ereignisreicher die Lagerbedinungen waren. Dann kann sich die Erzählung schon einmal darin verlieren und den eigentlichen Protagonisten, die Teeblätter, vergessen. Höre ich dann bei einem Tee von Yeeontea eher die Geschichte des Hauses als jene des Tees? Besser hinhören ist dann jedenfalls gefordert!
Mit wem spreche ich also bei einer Teebegegnung? Zeigt sich mir der Tee "individualistisch" oder als "Abklatsch" seiner Umgebung. Ist seine Stimme aus dem Rauschen erkennbar? Gut, dass Kommunikation nicht einseitig ist und Interpretationsspielraum bietet! Und wie bei einem Gast, der gut behandelt wird, kann sich so eine interessante Begegnung ergeben.