Heute brühe ich mir die zweite Hälfte meiner Probe des Xiao Hu Sai (Link zum Produkt im Shop).
Leider sind die Fotos ziemlich schrammelig - die erspare ich Euch besser.
Bevor ich über den Tee an sich schreibe, eine verblüffende Beobachtung: heute im Zisha-Kännchen wirkt der Tee lebhafter, auf angenehme Weise herber und insgesamt multidimensionaler als neulich im Gaiwan. Hätte eigentlich erwartet, dass Herbe vom Ton geschluckt wird, während Porzellan nichts weichzeichnet. Oder habe ich einfach heute viel kräftiger dosiert?
Jetzt aber mal zum Tee. Das trockene Blatt ist so, wie man es von modernen "handgemachten" Tees aus Einzellagen erwartet: groß und mit vielen Silberhaaren, nur locker gepresst. Wegen der extremen Jugend des Tees sind die Blätter ohne jegliche Bräunlichkeit und auch der Duft ist recht frisch - wie fast reife Aprikosen mit einem überraschenden Hauch von Bitterschokolade. Die feuchten Blätter duften auch nach Aprikosen, aber dazu kommt noch etwas, was für mich typisch ist für blutjunge Mengku-Tees - eine Herbe wie von angekratzter Baumrinde (bei jungen Trieben). Das hatte ich bei Matai, Na Jiao und Bingshan ... nur bin ich da noch nicht drauf gekommen, wie ich das beschreiben sollte.
Geschmacklich zeigt sich der Tee von einer Seite, die mich unheimlich an den 2011er Bingshan (Verkostungsbericht) erinnert. Allerdings ist hier die Aprikosenfruchtigkeit im Geschmack recht deutlich - das erinnert mich schon eher an Mangfei, obwohl das Dorf ja drüben in Yongde liegt. Laut Williams Beschreibung ist dieser Xiao Hu Sai nicht so grün verarbeitet wie Matai und Bangdong (hatten wir als die Proben D und E in der Probenaktion von Bannacha). Mich freut das sehr - mich begeistert nunmal eher ein fruchtiger Geschmack als ein blumiger Duft.
Aber die wahre Begeisterung kommt nach dem Schlucken: ein Pulsieren im Mund und ein Kribbeln, als würde das Zahnfleisch den Tee nicht vergessen können. Aber der Nachgeschmack lässt einen sowieso nicht los: der Eindruck ist ein Pingpong-Spiel zwischen nachhallender Fruchtsüße und anregender Herbe. Gelegentlich muss ich mich dran erinnern, dass ich noch Tee in der Tasse habe ... über die Freude am Nachgeschmack vergesse ich glatt das Trinken.
Der Tee hat ja einen recht hohen Anspruch: "Yi Ke Shu" - ein einziger Baum. Gemeint ist wohl, dass der Tee nur von den allerältesten Bäumen in Xiao Hu Sai geerntet worden sein soll - wird wohl kaum das Produkt eines einzelnen Baums sein. Alten Bäumen spricht man ja gerne eine gewisse Kraft zu, was zu einem besonders intensivem Erleben des Tees jenseits von Duft und Geschmack führt. Jop, das schafft dieser Tee bei mir bestens. Entspannt aber kaftvoll, ungefähr so:
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Wenn nur der Preis anders wäre! Immerhin hält der Tee über viele Aufgüsse (habe nicht exakt mitgezählt, mindestens 15) konstant sein hohes Niveau. Vielleicht ein Tee für den Wunschzettel.