Angeregt durch die Diskussion im Thread "Welcher Tee ist heute in eurer Tasse? Teil 2" (Link zum Beitrag) zur Oxidation und/oder Fermentation mache ich hier mal einen neuen Thread auf.
Die Fragestellung ist ja, ob das Dämpfen des Maocha vor dem Pressen die "Fermentation" beschleunigt oder hindert.
Dabei müssen wir uns erstmal klar werden, wie wir die Terminologie verwenden.
Während ältere Teeliteratur im Westen grundsätzlich von "Fermentation" sprach, egal ob es sich um den oxidativen Prozess der Schwarzteeherstellung handelt oder die mikrobiellen Umwandlungen im Tee bei der Herstellung von Shu Puer, differenziert man heute klarer. In meinen Augen hat Key das sehr gut hier in seinem Blog beschrieben.
Ich war bislang davon ausgegangen, dass man in Japan und China hier nicht so präzise differenziert, sondern pauschal "Fermentation" (chin: 发酵 jap: 発酵) auch für die Oxidation verwendet. Beispielsweise seien dafür die Wikipedia-Einträge zu Oolong angeführt.
Chinesisch:
在中國大陸,烏龍茶茶葉加工分類上屬於綠紅黃白黑青六大茶系中的青茶,是经过部分[color=#ff0000]发酵[/color],绿叶红边,既有绿茶的鲜香浓郁,又有红茶的甜醇。 (Quelle)
Japanisch:
烏龍茶(ウーロンちゃ)は、中国茶のうち青茶(せいちゃ、あおちゃ)と分類され、茶葉を[color=#ff0000]発酵[/color]途中で加熱して[color=#ff0000]発酵[/color]を止め、半[color=#ff0000]発酵[/color]させた茶である。 (Quelle)
(Das unterschiedliche Aussehen des ersten Zeichens liegt meines Wissens an einer Vereinfachung der Schrift in der VR China, welcher Japan nicht gefolgt ist.)
Dann habe ich heute aber bei Chashifu hier gelesen, dass im Chinesischen sehr wohl terminologisch zwischen Oxidation und Fermentation unterschieden wird. Ich sollte mich wohl nicht auf Wikipedia Einträge in einer nicht erlernten Sprache verlassen. (meine Deutungen des Chinesischen sind nur dilettantische Deduktionen aus dem Japanischen).
Jetzt mal zur inhaltlichen / prozesslichen Deutung bei der Teeherstellung, insbesondere dem Dämpfen.
In Japan wird Tee gedämpft, um die frisch geernteten Blätter vor der Oxidation zu bewahren. Während einer kurzen Dampfphase von oft nur 30 Sekunden wird dies bewerkstelligt. Es wird darauf verwiesen, dass durch die Dampfbehandlung Enzyme deaktiviert werden, welche im aktiven Zustand die Oxidation einleiten würden.
Aber stopp - sind enzymatische Reaktionen nicht eigentlich typisch für die Fermentation?!? Da regt sich in mir der Verdacht, dass sich vielleicht nicht so eine klare Trennlinie zwischen Oxidation und Fermentation ziehen lässt - zumindest für die Teeproduktion.
Wenn in Yunnan bei der Puer-Produktion zum Pressen des Tees der Maocha sogar zwei Minuten gedämpft wird, sollte doch eigentlich noch viel stärker die Enzymaktivität reduziert werden. Allerdings ist der Schritt, die Oxidation zu verhindern / auszubremsen (sha qing /杀青) deutlich früher, beim Erhitzen des der gewelkten Blätter in Woks oder Rösttrommeln. Das Dämpfen erfolgt ja anders als in Japan erst, wenn die Maochablätter schon komplett durchgetrocknet sind. Ich kann mir vorstellen, dass dadurch die Auswirkung des Dampfes weniger ins Gewicht fällt - aber hier bin ich bei reiner Spekulation angekommen.
Ein weiterer Punkt, den ich in der Lektüre als relevant für die weiteren Prozesse im Puer-Kuchen entdecke, ist das anschließende Trocknen der Kuchen nach der Formgebung. Viele Autoren sprechen sich für die allmähliche Trocknung in sonnenwarmer Umgebung aus - sie schreiben der industriellen Trockung in Heißluftkammern den Effekt zu, dass die Mikroorganismen auf/im Kuchen geschädigt werden und dadurch das Reifungspotenzial bei längerer Lagerung verloren geht.
Diese These macht aber nur dann Sinn, wenn nicht durch das Dämpfen bereits der Tee "sterilisiert" wurde. Somit erscheint es mir nur logisch, dass das Dämpfen des Maocha entweder nicht heiß oder lang genug erfolgt, um steriliserend zu wirken.
Soviel zu Theorie und Spekulation. Jetzt mal Empirie!
Ich habe bislang erst wenige Maocha trinken können (Jingmai, 2x Wuliang, Mengla). Wenn sie ganz jung waren, erschienen sie mir nicht merklich verschieden von gleich jungen Bing aus der Region. Ein etwas älterer Maocha (2006? erst 2014 probiert) erschien mir zwar schneller gealtert als ein gleich alter Bing aus trockener Lagerung ... aber der Maocha wirkte auch flacher, ausgelaugt. Habe ich mir damit erklärt, dass der Tee durch den extrem hohen Luftkontakt einfach überlagert und verflacht war. Es mag natürlich auch an dem Fehlen des Kickstarts durch das Dämpfen liegen. Wer wird das wohl abschließend beantworten können.
So, was sagt Ihr?
Chashifu - Du bist ganz nah an Primärquellen.
Diz, Du hast doch schon Vergleichsverkostungen machen können.
Bin gespannt, wie sich meine Spekulationen angesichts von Fakten schlagen.