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Das Vermächtnis des Lu Yu


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Ok, hier steht noch nix. ;D

In regelmäßigen Abständen werde ich hier aber Stücke eines Romans einstellen (äxklusif!!!), der direkt und indirekt mit Tee zu tun hat, mit Mord, mit Verschwörungen, einem Geheimnis und einem Typen namens Lu Yu.

(Und bitte nicht total ernst nehmen  ;) )

Geht heut abend los ...

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Diese Geschichte ist frei erfunden und hat nicht den Anspruch, inhaltliche Korrektheit vorzuweisen.  Überhaupt nicht!

Bis auf Lu Yu, den Tee-Gott. Den gab es tatsächlich.

Und was die Schriftrolle angeht, nun, vielleicht hat sich noch niemand die Mühe gemacht, danach zu suchen.  ..

Palim - palim …

Die Bambusstäbchen, die innen über der Eingangstür des kleinen Teeladens hingen, gaben ein fröhliches Geräusch von sich. Es klang ausgesprochen einladend und sorgte für ein Gefühl, das einen an "nach-Hause-kommen" erinnerte – so vertraut, warm und angenehm war dieser Klang. Gleichzeitig wehte einem ein unvergleichlicher Duft entgegen, eine Melange aus Früchten, Blüten, Aromaölen und ... Tee.Trotzdem konnten die Bambusstäbchen und das fast schon als göttlich zu bezeichnende Aroma nicht darüber hinwegtäuschen, um was es hier ging: Ums Geschäft. Doch das war nicht weiter schlimm, und es soll auch nicht der Eindruck erweckt werden, dass man hier über den Tisch gezogen werden würde. Dem war auf keinen Fall so. Ganz im Gegenteil. Natürlich hatte sich die Besitzerin des Teeladens irgendwann einmal dazu entschieden, sich selbstständig zu machen - vorzugsweise wegen des Geldes. Sie liebte aber auch Tee. Und was lag da näher, als seine Selbstständigkeit mit seinem Hobby zu verbinden: dem Verkauf von Thea -oder auch Camellia Sinensis? Sicherlich liegt Deutschland nicht an der Spitze der Teeverbrauchenden Europäischen Länder, aber die gute alte BRD holt seit den 90`ern auf. Wann man nun nur einzelne Gebiete betrachtete, lagen die Ostfriesen mit ihrem Verbrauch sogar im oberen Drittel der Welt. Aber es gibt nun mal nicht so viele Ostfriesen, als dass sie es mit der ganzen Welt aufnehmen könnten. Und selbst wenn; es ging ihnen bestimmt ziemlich am Hinterteil vorbei.

Ich fühlte mich wie also wie zu hause, nachdem ich die aus natürlichen Bestandteilen hergestellte Türglocke in Bewegung setzte.

Das liegt zu einem nicht kleinen Teil daran, dass ich Tee ähnlich liebe wie Frau Hunzick. Allerdings mit einem Unterschied. Ich interessiere mich nicht nur für die Vielfältigkeit der Pflanze als Genussmittel, nein, ich bin jetzt einfach einmal so unbescheiden und bezeichne mich als Hobby-Spezialisten, was seine Geschichte angeht, und vor allem, was die Beschaffung von angeblich nicht mehr verfügbaren Sorten angeht.

Und wer über Tee und seine Kultur spricht, kommt nicht an der TCM vorbei. Eine höchst faszinierende, sehr alte medizinische Sichtweise, die - meiner Meinung nach - viel umfassender und ganzheitlicher ist, als unsere Schulmedizin. Ich verstehe nicht wirklich etwas von der TCM, aber ich glaube, das Prinzip verstanden zu haben. Die Chinesen hatten irgendwann einmal herausgefunden, dass der Geist genauso, wenn nicht sogar noch mehr, für eine gute Gesundheit zuständig ist. Es ist das alte Lied der Dualität: In einem gesundem Körper wohnt ein gesunder Geist.  Ist es dann nicht nur logisch, dass ebenso ein gesunder Geist für einen gesunden Körper zuständig ist? Sicher kann die Macht des Geistes keinen gebrochenen Arm heilen, zumindest nicht so schnell, wie die „herkömmliche“ Schulmedizin, aber um solche Fälle geht es auch gar nicht. Auch geht es nicht um schwerwiegende Krankheiten wie Krebs oder AIDS. Meist versuchen die Weisen aus Asien unter anderen die Umgebung, die persönliche Situation des Kranken zu durchleuchten. Oft waren permanente Kopfschmerzen oder allgemeines Unwohlsein auf unzufriedene Lebensverhältnisse zurückzuführen. So etwas kann einen tatsächlich krank machen. Also begann man die wahren Gründe für eine Krankheit zu suchen, um sie schließlich zu beseitigen.Klar ist das nur ein kleiner Teil dieser Art der Medizin, und sicher drücken sich die Fachleute anders aus, aber ich bin schließlich auch nur ein Westeuropäer, der recht verwirrt drein blickt, wenn er das erste mal etwas von Qi -der Lebensenergie -, die man zum fließen bringen müsste, und von Ying und Yang,die nicht im Gleichgewicht seien, hört. Doch glaube ich, vieles läuft dabei auf das selbe hinaus: Finde deine Mitte! Finde dein seelisches Gleichgewicht! Sei glücklich! Dann wirst du auch gute Abwehrkräfte besitzen! Die westliche Medizin geht doch selten den wahren Ursprüngen einer Krankheit auf den Grund – wozu auch? Wenn sie es allen ernstes schaffen sollte, die Ursprünge einer Krankheit zu beseitigen, was würde dann wohl aus der Pharmaindustrie, den Krankenkassen, etc.? Also liegen mehr die Symptome im Fokus, weniger die Ursache.Es geht dabei nicht um Gesundheit - eine Gesundheit, die für alle bestimmt ist. Es geht um Geld, Macht und Abhängigkeit. Jemand hat Bluthochdruck?

  ...aha, soso, aber kein Problem. Es gibt da ein tolles neues Medikament, das den Blutdruck garantiert senkt. Nun, Sie müssten zwar mit Zuzahlungen rechnen, aber es geht ja um ihre Gesundheit. Da kann, da darf Ihnen ja wohl nichts zu teuer sein.

Nebenwirkungen, ja, ja. Also, wissen Sie, ein Haken ist doch immer an der Sache. Wenn Sie mit einer wirklichen, messbaren, wissenschaftlich nachweisbaren Wirkung rechnen, müssen Sie auch Nebenwirkungen mit einkalkulieren. Schließlich greifen wir ja mit solchen Medikamenten in die Natur des Menschen ein. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Wenn Sie sich schlapp und müde fühlen, wenn Sie merken, dass Ihnen der Kreislauf weg sackt, melden Sie sich ruhig. Es ist gerade ein hervorragendes Medikament auf den Markt gekommen, das die Kreislauffunktion wieder ankurbelt. Nehmen Sie es, und es wird Ihnen besser gehen. Sollten Sie dann Hitzewallungen verspüren, kann ich Ihnen dieses Medikament empfehlen, das …

Der Kranke wird immer kränker, sitzt daheim, pumpt sich mit Pillen voll und versteht die Welt nicht mehr.

So verrückt es sich anhören mag, aber der geliebte Tee z. B. hat tatsächlich einen gewaltigen Vorteil gegenüber der westlichen Medizin.

Und ich rede hier von wirklichem Tee, nicht von irgendwelchen undefinierbaren Staub in Baumwollsäckchen – womöglich noch mit einer Metallklammer verschlossen - die man für wenige Cent im Supermarkt erhält.

  Tee bewirkt keinen Fall in ein Extrem, er normalisiert, gleicht aus. So kann Tee sowohl von dem einen, als auch von dem anderen getrunken werden. Hat der eine Bluthochdruck, wird der Tee ihn leicht senken, während jemand mit niedrigem Blutdruck eine für ihn passende Unterstützung erfährt.

Und unsere so schlaue Schulmedizin winkt lächelnd ab, wenn sie von Naturheilkunde hört. Nicht nachweisbar, vor allem nicht erklärbar, also nicht vorhanden!

Aber vielleicht bin ich auch nicht ganz fair, so zu denken. In unserer von Stress und Hetze durchsetzten Welt gibt es gar nicht die Zeit, natürlichen Medikamenten eine Chance einzuräumen. Alles muss schnell gehen. Medikamente müssen schnell wirken. Da kann – und das muss ich unumwunden zugeben – so etwas wie Tee nicht mithalten. Man braucht Geduld. Und die haben wir leider nicht mehr.Soll ich den Pharmaproduzenten also vorwerfen, dass wir in solch einer Welt leben? Ist das gerecht? Muss man nicht auch anführen, dass sie auf der anderen Seite auch sehr viel für unsere Gesundheit getan haben? Haben sie nicht auch durch ihre unermüdliche wissenschaftliche Forschung die Medizin immer wieder revolutioniert?Ich weiß es nicht. Es ärgert mich halt, dass sich die westliche Medizin so sehr der Naturheilkunde verschließt und sie als Unsinn abtut. Auch wenn hier und da darauf eingegangen wird. Doch im großen und ganzen wird doch eher darüber gelächelt. Ach, was soll es? Ich bin nicht hier her gekommen, um mich von meinen Gedanken runter ziehen zu lassen.

  Ich bin an diesen Ort gekommen, weil in der Dose, in der ich normalerweise meinen chinesischen Mao Feng Tee aufbewahre, gähnende Leere herrscht.

Schön, ich habe noch genügend andere Dosen, dessen Inhalt ich sie berauben könnte, aber ich fühle mich einfach besser, wenn meine achtzig Zentimeter mal einen Meter große Teetheke komplett bestückt ist.

  „Einen wunderschönen guten Tag, wünsche ich Ihnen, Frau Hunzick“, sagte ich, nachdem ich die trübenden Gedanken aus meinem Kopf vertrieben hatte. Wozu sich über Dinge aufregen, die man eh  nicht ändern konnte? Ich kam ihrer Begrüßung zuvor – wie so oft.

  „Vielen Dank, Herr Störr!“, gab sie zurück, und „Gleichfalls!“

Sie sah mir eine Weile zu, wie ich die neusten Teeschalen, die dunkelblaue Gusseiserne Kanne, die ich mir schon immer einmal leisten wollte, begutachtete. Sie ließ mir Zeit. Ich tat jedes Mal, wenn ich den Laden betrat, das Gleiche, und sie hatte sich daran gewöhnt. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass Teetrinker nicht so schnell in irgendwelche Hektik verfallen – das Leben ist ein Kreislauf – und da gibt es keinen Anfang und kein Ziel, auf das man nun beschleunigt zu hechten müsste. Was geschehen sollte, geschah auch, ob man wollte oder nicht. Wozu sich dann beeilen und womöglich andere dabei noch über den Haufen rennen?

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Hallo Maik,

da du dir die Freiheit der Veröffendlichung nimmst, nehmen wir uns die Freihiet unsere Bemerkungen hinzuzufügen.

Vieleicht gibt es dann ja am Schluss die ganze Geschichte für den e-reader zum runterladen  ;) ?

Na, ja, es sind ganz schön viele Gedanken, dafür, dass jemand nur durch eine Tür geht. Ich habe diese Gedanken in allen möglichen Zusammenhängen schon öffters gehört und gelesen. Da ist nicht schlimm.

Für mich persöhnlich dreht sich Ursache und Wirkung um.

Leute,die durch Tee Gesund werden, bleiben wollen, ohne die sonstigen Ursachen zu ändern, sind keinen Schritt weiter. Leute, die auch sonst einfach gesund leben, trinken Tee ohne speziellen Grund, haben den Tee einfach als Bereicherung gefunden. Es passt alles zusammen -Tee, Zubereitung, Wahrnehmung ...

Bin also interessiert, wie es weitergehen wird.

Gruß Krabbenhueter

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(Klar sind Anmerkungen willkommen. Und vielleicht sollte ich noch dazu sagen, dass diese Geschichte vor allem den Versuch darstellen sollte, einen "Verschwörungsthriller", der allen möglichen Klischees entspricht, zu basteln. Sicherlich - ganz bestimmt - ist fachlich sehr viel Unsinn enthalten. Seht also das nicht so eng. Es soll unterhalten, nicht schlauer machen.  ;D )

Langsam beendete ich meinen Rundgang in dem kleinen, mit dunklem Holz vertäfelten Laden. Die neuen Schalen waren sehr schön, besonders eine mit einem aus Blattgold bestehenden Drachen hatte es mir angetan. Aber meine Vitrine war ohnehin schon mehr als überfüllt – ich fuhr wohl besser damit, wenn ich mir den Erwerb der Tasse verkniff.

Direkt neben der Verkaufstheke stand ein Regal mit den besonders außergewöhnlichen neuen Teesorten. Ich sah eine grün-braune Pappschachtel, die den japanischen Kabuse – Cha darin anpries. Halbschatten-Tee, dachte ich, erste Pflückung. Was für eine Spezialität. Um diesen Tee zu züchten, deckt man die Pflanzen mit Matten ab. Das gipfelt in einer erhöhten Chlorophyll-Produktion, was wiederum zu einem süßlicheren, an eine Blumenwiese erinnernden Geschmack und verstärkten Inhaltsstoffen führt.

Ich habe kein Problem damit, viel Geld für Tee auszugeben, im gewissen Sinne ist das sogar mein Beruf, aber ähnlich wie meine Vitrine aus den Nähten platzt, fällt es mir schwer, noch einen Überblick über meine Haussorten zu behalten. Unermesslich reich bin ich nun auch nicht, als dass ich mir beständig einen Tee leisten könnte, dessen Preis für hundert Gramm bei weit über dreißig Euro liegt. Irgendwo muss man auch Grenzen setzen können. Andererseits komme ich in den Genuss der Begleiterscheinungen, wenn man in einem solchen Laden Stammkunde ist. Man kann des Öfteren mal eine Probe ergattern.

Im unteren Bereich des Regals bemerkte ich ein japanisches Teezeremonieset, mit Schale, Bambusbesen (Chasen genannt), dem langen, dünnen Portionslöffel und einer winzigen Dose Matcha, ein pulverisierter, sehr hochwertiger Grüntee ... ach ... ich muss wirklich damit aufhören, mir Dinge anzusehen, die ich mir nicht leisten kann!

Schließlich traf sich mein Blick mit dem von Frau Hunzick. Die attraktive, verheiratete Vierzigjährige lächelte mich geduldig aus ihren rehbraunen Augen an.

Na, was kann ich denn heute für Sie tun?“, fragte sie mich mit ihrer geschmeidigen, gut geölten Stimme.

Mao Feng!“, sagte ich. „Hundert Gramm, bitte“ Ich stellte ihr meine leere Teedose hin, sie drehte sich um, und griff in ein gewaltiges Regal, das hinter ihr stand, und auf dem die unzähligen Teesorten in großen Blechbehältern untergebracht waren.

Mein Kumpel Mao befand sich ganz oben, und es machte mir fast schon Spaß, Frau Hunzick dabei zu beobachten, wie sie sich recken und strecken musste, um an die Dose zu kommen.

Ich rief mir den Geschmack des Tees ins Gedächtnis und mir lief das Wasser im Mund zusammen.

O. k., ich kann verstehen, wenn nun jemand die Brauen hebt und meint: Tee? Was ist so tolles an Tee? Gesund, na schön, und sonst?

Das zu beschreiben wäre wohl ein Ding der Unmöglichkeit, denn meiner Meinung nach erschließt sich der wahre Genuss ohnehin erst dann, wenn man zum Beispiel Mao genießt – Wörter wären mehr als unzureichend, um diesen erst leicht süßlichen, dann ins säuerlich gehenden Geschmack zu beschreiben, der sich schließlich mit einer lang nachhängenden rauchigen Note verabschiedet.

Mein Kumpel Mao: Geboren wurde er im feuchten Klima der Bergregion Xinyang, die sich in der Provinz Henan befindet. Er hat meinem eigentlichen Lieblingsgrüntee – dem 1988 mit einer Goldmedaille ausgezeichneten Long ching, dem weltberühmten Drachenbrunnentee, der ursprünglich aus einem kleinen Dorf stammt - schon fast den Rang abgelaufen.

Aber Geschmäcker ändern sich eben.

Klara Hunzick füllte meine Dose, und sie schaffte es jedes mal mit nur einem einzigen Schaufelschlag die exakte Menge von hundert Gramm hinein zu füllen. Übung macht den Meister, kann ich dazu nur sagen.

Noch einen Wunsch?“, fragte sie mich.

Na ja“, meinte ich grinsend, „Sie wissen ja, dass ich schon seit ewigen Zeiten scharf auf die Gusseiserne Tsuki-Kanne bin.

So?“, grinste sie schelmisch zurück, „Ich hindere Sie nicht daran, sie mitzunehmen.“

Ich musste lachen. „Das glaube ich aber schon, wenn ich sie einfach mitnehme, ohne zu bezahlen.“

Da haben Sie auch wieder Recht“, pflichtete sie mir bei.

Vielleicht beim nächsten mal“, versprach ich. Sie wusste, wie sie dieses Versprechen verstehen musste. Sie wusste, dass es mich jedes Mal viel Überwindung kostete, nicht den halben Laden leer zu kaufen. Vielleicht kennt sie das Gefühl.

Während ich im Begriff war, mich umzudrehen und den Laden zu verlassen, nicht ohne ein letztes mal sehnsüchtig auf die wie ein platt gedrückter Mond aussehende Kanne zu blicken, sprach sie mich nochmals an.

Ach, Herr Störr, bevor ich es vergesse: Ihr Tipp mit dem Keemun war ausgezeichnet. Er verkauft sich wie ... wie ...“, sie suchte augenscheinlich nach Worten.

Wie geschnitten Brot?“, versuchte ich zu helfen, wobei – zugegeben - der Bezug zu Tee nicht so ganz offensichtlich war, aber mir fiel im Augenblick nichts Gescheiteres ein.

Geschnitten Brot“, wiederholte sie, und scheinbar kam ihr der Vergleich auch irgendwie komisch vor. Egal, wir wussten beide was wir meinten.

Ich deutete eine Verbeugung an, lächelte kurz, öffnete die Tür, lauschte den klackenden Bambusstäbchen und verließ schließlich den Laden.

Es macht mich schon ein wenig stolz, dass meine Verbindungen und mein Wissen manchmal anderen Teeliebhabern zu gute kommt.

Ich mag den extremen Kapitalismus nicht unbedingt besonders, aber so läuft der Hase nun einmal. Wenn man nicht untergehen wollte, muss man halt hin und wieder mit dem Strom schwimmen und nach den entsprechenden Regeln spielen. Immerhin hat man so noch die Möglichkeit, zumindest in kleinen Bereichen, diese Regeln zu ändern. Ich will niemanden ausnehmen, genauso wenig wie ich bei meinen Geschäften ausgenommen werden will.

Klar, auch ich muss die langen Wegstrecken zu den Teeauktionen auf meine Preise drauf schlagen, aber das finde ich, bewegt sich noch im absolut berechtigtem Bereich.

Ich hatte vor einiger Zeit etwas von einem grünen Keemun gehört, eine Sorte, die seit langem als verschollen galt. Ich ließ meine Beziehungen spielen, die ich hier aus verständlichen Gründen natürlich nicht offen legen kann, erfuhr von der entsprechenden Auktion, probierte ihn und legte fast mein gesamtes Barvermögen in grünen Keemun an.

Es war schon ein Risiko, das muss ich zugeben. Schwarzer Keemun, ebenfalls ein Goldmedaillengewinner, war bekannt und relativ verbreitet – zumindest unter Kennern. Aber grüner?

Ich hatte Glück. Das Angebot, das ich Frau Hunzick unterbreitete, war einfach zu gut, um es abzulehnen. Auch wenn sie anfangs nicht ganz überzeugt gewesen war, so stellte sie die Sorte doch mit in ihren Internet-Handel, und so geschah es. Der Tee schlug ein wie eine Bombe.

Wir Teetrinker und Händler sind ein Geheimbund. Gut, das ist übertrieben, aber man braucht nur einmal den Weinkennern zuhören. Wenn das keine Geheimsprache ist, dann ...

Da ich mir den alleinigen Vertrieb des grünen Keemun gesichert hatte, konnte ich den Preis gegenüber wesentlich finanzstärkeren Teehändlern bestimmen. Ich hätte damit reich werden können. Aber wie ich eingangs schon erwähnte, spiele ich nach eigenen Regeln. Und diese Regeln beinhalten, dass an erster Stelle der Kunde kommt – der Endverbraucher – der, der den Tee auch wirklich trinkt und genießt. Wenn ich nun also astronomische Preise verlange, die sicher gerechtfertigt gewesen wären, so gibt es demzufolge auch nur eine kleine Gruppe von Menschen, die sich den Tee überhaupt leisten können. Ich empfinde so etwas als unfair. Genauso unfair, wie einem Kranken ein Medikament zu verabreichen, das nicht wirklich hilft, allenfalls den Herstellern des Gegenmedikaments.

Ich möchte meine Besessenheit – so will ich es einmal nennen – mit anderen teilen. Sind andere froh, so bin ich es auch.

Und hey, wollen wir das nicht alle? Froh und glücklich sein? Wenigstens ein bisschen?

Was bringt einem das Gefühl von Freude und Glück, wenn man vollkommen alleine ist? Wie lange hält es an? Kann es überhaupt anhalten, oder verfliegt es schneller als es gekommen ist, um eine größere innere Leere zu hinterlassen, als die, die es gefüllt hat?

Ich konnte in diesem Augenblick nicht wissen, dass sich meine Sichtweise der Dinge, der Welt und des Glückes sehr bald im extremsten Maße verändern sollte.

(Ende Kapitel I)

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(Kapitel II)

Ich parkte meinen alten Passat Kombi in der Garage und überlegte mir, ob ich nicht noch einen Abstecher in den Keller machen sollte.

 

Der Keller ist gleichzeitig mein Lagerraum.

 

Ich habe vor einigen Jahren ein bisschen Barvermögen und ein kleines Haus geerbt. Und nachdem ich den Entschluss gefasst hatte, Teehändler zu werden, ließ ich den Keller so ausbauen, dass man ohne Probleme Tee über einen längeren Zeitraum lagern konnte.


Wobei das auch nicht heißen soll, dass man Tee bis in alle Ewigkeiten lagern kann. Ein halbes Jahr vielleicht – bei entsprechenden Aufbewahrungsmöglichkeiten.


Aber auch bei Tee gibt es die berühmte Ausnahme.


Pu-Erh-Tee. Um diesen, so genannten roten Tee ranken sich erstaunlich viele Geheimnisse. Selbst mir war es bisher nicht vergönnt, genaueres über ihn heraus zu finden. Mal abgesehen von dem, was ohnehin bekannt ist.

 

Man hatte irgendwann einmal nach einer Möglichkeit gesucht, grünen Tee nicht nur durch Fermentation länger haltbar zu machen, sondern  auch nach einer ökonomischeren Art, Tee zu transportieren. Also presste man ihn zu Ziegeln. Und so kam - das ist zumindest meine Vermutung - eins zum anderen: Das Pressen und die Fermentation und wahrscheinlich noch andere Faktoren sorgten dafür, dass Pu-Erh zwar fermentierte wie schwarzer Tee, aber im Gegensatz zu seinem Bruder eben nicht "tot" war - was seine Inhaltsstoffe anging.

Pu-Erh  gilt tatsächlich nicht nur als eines der gesündesten Lebensmittel, die man zu sich nehmen kann, es ist auch der einzige Tee, dessen Inhaltsstoffe sich im Laufe der Zeit noch verstärken. Es gibt sechzig Jahre alten Pu-Erh, den sich aber wohl kein Normalsterblicher leisten könnte – geschweige denn überhaupt bekommen könnte.

 

Und da haben wir schon die Grenzen meines Wissens erreicht. Denn wie man letztendlich den Pu-Erh herstellt, entzieht sich meiner Kenntnis. Es gibt Theorien über geheime Höhlen in Yunnan, in denen der Tee jahrelang gelagert wird, von Bakterien, Pilzen, aber gesehen hat diese Höhlen noch niemand und über Bakterienkulturen in Verbindung mit Getränken möchte man wahrscheinlich auch nicht unbedingt genauer nachdenken.


Ich machte mich nun auf den Weg in den Keller, so wie ich es jeden Abend tue. Und wie jeden Abend standen die Holzkisten friedlich nebeneinander und fühlten sich offensichtlich wohl. Ich überprüfte die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit – alles in bester Ordnung.


Nach einem kleinen Abendessen bereitete ich mir endlich den Mao Feng zu.

 

Ich liebe diese Auszeiten. Man setzt sich gemütlich ins Wohnzimmer, schaltet die Nachrichten ein, weiß nicht, ob man nun darüber lachen oder weinen soll – ich versuche es meistens mit lachen – und trinkt einen hervorragenden Tee dazu. Man tankt Energie, lädt seine Akkus wieder auf – es war wie ein winziger Urlaub.


Denn ganz war mein Arbeitstag noch nicht beendet, ich musste noch die eingegangenen Bestellungen prüfen, nachsehen, ob ich Telefonanrufe bekommen hatte, das Ganze mit meinen Vorräten abgleichen und schließlich alles für den nächsten Tag vorbereiten.

 

Ich kann mich wirklich nicht beschweren. Vielleicht bin ich unter einem Glücksstern geboren, vielleicht liegt es auch an meiner Einstellung zu Geschäften. Mein Vertrieb läuft fast von alleine. Und ich kann davon leben. Was will man mehr?

Vielleicht ... vielleicht einmal ein Abenteuer? Vielleicht einfach einmal ausbrechen aus dem bekannten Alltag, etwas neues, aufregendes erleben?

 

Ich weiß nicht, ob ich das brauche. Ich bin zwar erst Mitte dreißig, aber meine „wilden“ Zeiten sind vorbei. Ich lebe ohne Aufregungen eigentlich ganz gut.

Dummerweise zeigt das kleine, rot blinkende Licht an meinem Anrufbeantworter nicht an, ob es sich um aufregende Dinge handelt oder nicht.

 

Im nach hinein weiß ich immer noch nicht genau, ob ich das Band abgehört hätte, wenn ich gewusst hätte, was dann geschehen würde. Aber wahrscheinlich hätte ich es eh nicht verhindern können.

Aber es ging jetzt um ein blinkendes rotes Licht, das darauf wartete, abgeschaltet zu werden. Ich tat es, jedoch nicht, ohne mir vorher die Nachricht angehört zu haben.

 

Als erstes vernahm ich nur ein unidentifizierbares Geknister vom Band und ging davon aus, dass der Anrufer ein ähnlich ablehnendes Verhältnis zu Anrufbeantwortern hat wie ich, aber dann verstummte das Geknister und ich konnte eindeutig ein schweres Atmen vernehmen.


Etwas verständliches konnte ich aber immer noch nicht hören. Ein Scherz?, dachte ich. Jemand hat sich verwählt? Einer dieser armen einsamen Menschen, deren Kommunikation sich meist in durch Telefonkabel übertragendes Gestöhne äußert?

 

Ich wollte gerade das Band abschalten, da kristallisierte sich doch noch eine Stimme heraus.

„Herr Störr ... Herr Mika Störr? Hören Sie, ich kann am Telefon nicht darüber sprechen ...“ Wieder knackte es in der Leitung. „Mein Name ist ...“ Rauschen. „... unglaublich ... revolutionieren ... dieser Tee ... unvorstellbare Macht ... Qingmao ist ein Witz dagegen ... Schriftrolle ... werde verfolgt ...“

 

Das Knistern wurde nun noch von einem Rauschen begleitet, und ich konnte kaum noch etwas verstehen.

  „ ... heute Abend, neun Uhr ... ich werde bei Ihnen vorbei ...“

 

Der Rest ging in Geräuschen unter. Ich runzelte die Stirn, spulte das Band zum Anfang zurück und hörte es mir nochmals an. Die Tonqualität wurde dadurch nicht besser.


Etwas verwirrt setzte ich mich in meinen Sessel. Im Hintergrund lief irgendein strunzdummer Familienfilm. Ich hatte eigentlich eh vor, ein Buch zu lesen, aber daran war jetzt nicht mehr zu denken.

 

Was war das für ein merkwürdiger Anruf? Was hatte der Mann, der er seiner Stimme nach zu urteilen gewesen war, noch gesagt?


Tee. Unvorstellbare Macht. Revolution.

 

Ich habe es ja bereits zugegeben, dass ich selbst besessen von Tee bin, aber diese Art der Beschreibung fand ich dann doch etwas übertrieben. Aber hatte er nicht noch etwas von einer Schriftrolle gesagt?


Schriftrolle? Was bitte hat irgendeine Schriftrolle mit Tee zu tun? Das ganze hörte sich sehr geheimnisvoll an. Und was meinte er damit, dass Qingmao ein Witz dagegen sei?


Qingmao ist der wohl berühmteste Teebaum der Welt – eine Heiligkeit, eine Gottheit, eine Pflanze, der man magische Kräfte nachsagt. Von ihm werden die Blätter für den Pu-Erh-Tee gepflückt.. Der Baum selbst wurde offiziell erst 1961 in Yunnan/China entdeckt, ist über dreißig Meter hoch und wahrscheinlich über zweitausend Jahre alt. Die Chinesen verehren ihn derart, dass sie sich vor ihm verbeugen! Besseren Tee als von diesem Baum kann es gar nicht geben!


Mein Gedankengang unterbrach sich, weil mir plötzlich siedend heiß etwas einfiel: Der Anrufer wollte heute Abend zu mir kommen! Wann war das noch? Um Neun! Ich blickte auf meine Seiko Kinetic – es war viertel vor neun.

  Wer war er? Ich konnte den Namen nicht verstehen, ich kannte auch seine Stimme nicht, also kein mir bekannter Teehändler. Es musste sich bei ihm aber um einen Händler handeln, schloss ich. Irgendwie entstand in meinem Magen ein mulmiges Gefühl. Ich weiß nicht warum, normalerweise rege ich mich nicht so schnell auf, aber wenn es um Tee ging, was der Unbekannte ja angedeutet hatte, noch dazu um Geheimnisse … warum wollte der Mann heute Abend noch vorbei kommen? Das war eigentlich nicht normal für Händler. Und warum wollte er nicht am Telefon darüber sprechen? Ich kann mir unmöglich vorstellen, dass ein Teehändler von irgendjemanden abgehört wird. So weit, dachte ich mir, war es doch mit dem Teehandel noch nicht gekommen, dass man sich gegenseitig ausspionierte, oder? Meinte der Mann nicht, dass er verfolgt werden würde? Ich konnte es nicht glauben. Die unsäglichen Zeiten, in denen England wegen Tee Kriege geführt hatte, waren doch vorbei.

  Ich wurde unruhig. Der Zeiger der Uhr zeigte fünf Minuten vor neun. Ich musste etwas tun. Ich ging in die Küche, von der ich einen guten Blick auf die Straße habe.

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