Zum Inhalt springen

Kamairicha Blend


seika

Empfohlene Beiträge


Anfang letzter Woche bin ich bei dem kleinen Teeladen um die Ecke ueber diesen Tee gestolpert:


 


 

Die Angaben auf der Packung weisen den Tee mit Namen kaorikko (=Duft-Kind) als eine Mischnug aus pfannengeroestetem Tee aus Yabe (ein fuer seinen Bergtee bekanntes Anbaugebiet in Kumamoto) und gedaempften Tee aus Kahoku (ebenfalls in Kumamoto) aus. Laut Verkaeuferin/Inhaberin betraegt das Verhaeltnis der beiden Sorten 50:50. Preislich lag er mit ca. 5 Euro fuer 100g im unteren Bereich, ist also eher der Kategorie Haushaltstee zuzuordnen.



Der erste Versuch nach der sencha Methode mit 3-4g auf 100ml, 80 Grad heissem Wasser und ca. 60 Sekunden Ziehzeit fuer den ersten Aufguss war wenig zufriedenstellend. Im Geschmack recht fade versprachen die aufgebruehten Blaetter in der Kanne, dass vom kamairicha in Sachen Duft mehr rauszuholen ist. Da ich ihn gerne zum Lesen nebenbei trinken wollte, kam die Mehrfachaufgussmethode nicht in Frage. Also habe ich mir vorgenommen ihn aehnlich wie auch hojicha zuzubereiten, also: ca. 4g Tee auf 300ml bei einer Wassertemperatur von 95 Grad und einer Ziehzeit von 60 Sekunden.



Was das Tringefaess angeht stand ich aber damit vor einem kleinen Problem, denn ich habe keinen Teebecher, der mehr als 180ml fasst. Hier war also etwas Improvision gefragt. 



 


Das Wasser habe ich in meiner Tetsubin (ca. 700ml) gekocht.




 

Das Aufbruehen geschah in einer Seitengriffkanne von Fukagawa Seiji mit 350ml Fassungsvermoegen.


 


 


Der erste Aufguss mit ca. 95 Grad heissem Wasser.

 


Da ich wie gesagt zu Hause keinen grossen Teebecher habe, habe ich einem Becher, der eigentlich fuer japanischen Schnaps (shochu) konzipiert worden ist, zweckentfremdet. Durch die innere kugelige Form und den Winkel der Seitenwaende sammeln sich die Aromen aehnlich wie in einem Weinglas im unteren Teil des Bechers und steigen konzentriert zum Becherrand auf. Das sollte also den Duft des Tees schoen hervorbringen.

 




Eine weitere bautechnische Besonderheit ist der dreifuessige Stand. Dadurch soll, bei gekuehlten Getraenken der Untergrund weniger nass werden. Ist bei heissem Tee aber sicherlich zu vernachlaessigen ;)



http://www.teetalk.de/gallery/image/56-/







Das Dekor besteht aus einer Einlegearbeit mit schwarzem Kobaltoxid, dadurch ensteht eine fuer Porzellan eher ungewoehnlich rauhe Haptik. Von all meinen Shochu Bechern (und davon haben sich mit der Zeit eine ganze Menge angesammelt) ist dieser aufgrund der Form, dem Trinkverhalten und dem Gefuehl, wie er in der Hand liegt, mit Abstand mein Liebling.



http://www.teetalk.de/gallery/image/55-/



kaorikko im Becher



 



Der Duft ist sehr intensiv, hat ein ganz kleines bisschen was von hojicha. Im Hintergrund ist das grasige und frische des gedaempften senchas aber immer noch wahrnehmbar. Hier kann er ganz klar punkten. Die Farbe im Becher ist ein leuchtendes Gelbgruen.



Das erste was mir beim Trinken in den Sinn kommt ist: sueffig. Bei Wein wuerde ich sagen, ein leichter Sommerwein. Von allem ist ein wenig vorhanden, Herbe, Suesse und auch Koerperreichtum. Was ihm fehlt ist die Komplexitaet und die Suesse bzw. umami eines qualitativ hochwertigen senchas, was sich vor allem im zweiten Aufguss zeigt. Der wurde noch etwas sueffiger und milder. Aber ehrlich gesagt habe ich bei dem Preis auch keine Wunder erwartet. Zum Essen oder nebenbei Trinken ist er durchaus geeignet und hat Lust gemacht andere kamairichas zu probieren.



Noch ein kurzes Fazit zum Becher: die Wirkung, die er bei Alkohol entfaltet, kam hier leider nicht ganz zum Tragen. Wahrschenlich lag es an der zu grossen Menge Tee im Verhaeltnis zum Becher. Weinglaeser fuellt man ja auch nicht bis unter den Rand. Trotzdem wuerde ich sagen, dass er sich auch fuer Tee ganz gut macht.






Da dies mein erster Verkostungsbericht ist, wuerde ich mich ueber Anregungen und Kritik sehr freuen. Was sind eure Erfahrungen mit kamairichas?
Bearbeitet von seika
Link zu diesem Kommentar

Hallo seika,



dein Eintrag ist sehr lebendig und die Einführung der Utensilien gelungen! Da solche Berichte ja eigentlich "nur" subjektive Eindrücke sind, kann man als Außenstehender den Eindruck selbst nicht wirklich bewerten, wenn man nicht gerade den Tee selbst getrunken hat. Und selbst dann müssen sich die Eindrücke nicht mit deinen decken. Die Fotos sind toll und man merkt, dass Du eine gut Kamera hast (will auch!).


Überrascht hat mich deine Aufgussmethode. Immer wieder interessant, wie viele Möglichkeiten es gibt, Tee zu genießen. Freue mich auf weitere Berichte! :)


Bearbeitet von luke
Link zu diesem Kommentar

Hallo Seika,



super Bericht - da habe ich fast das Gefühl, dabei zu sein. Das Zusammenspiel von Tee, Zubereitung und Geschirr ist es ja (zusammen mit Wasser und Stimmung), das zu dem Verkostungserlebnis führt. Daher finde ich es sehr gut, dass Du diese drei Komponenten genau beschreibst.



Kamairicha kenne ich ganz unterschiedlich - in Shizuoka hatte ich mal einen, der schmeckte fast wie ein chinesischer Gunpowder. Aber öfter hatte ich Kamairicha, die geschmacklich näher an Sencha als an Gunpowder sind. Unser Tamaryokucha ist meines Wissens ein Kamairicha (Tamaryokucha kann ja entweder per Dampf oder per Kamairi produziert worden sein) - der ist für mich ein Beleg, dass Kamairicha nicht so wenig komplex sein muss, wie Du diese Sorte erlebt hast. Aber hey - Du schreibst ja selbst, dass man bei dem Preis nur einen Haushaltstee erwarten kann.



Bitte gerne mehr solche Verkostungsberichte - und ich bin ja ein Fan der reichen Bebilderung!


sm13.gif



thisthreadisworthlesswithoutpics.gif


Link zu diesem Kommentar

Danke fuer das Feedback. Das gibt mir Motivation weitere Berichte folgen zu lassen.


Auf Fotos vom Wassereingiessen muesst ihr in Zukunft allerdings verzichten. Es sei denn mir waechst noch eine zweite rechte Hand. ;)  


Die Kamera laesst sich einhaendig nur mit rechts bedienen und mit links habe ich keine Praezision beim giessen.



Was mich besonders freut, dass auch die (manchmal vielleicht zu detailverliebte) Beschreibung der Utensilien Gefallen zu finden scheint. 



Mehr als subjektive Eindrueck kann ich natuerlich nicht schildern. Fuer mehr fehlt mir ehrlich gesagt die Expertise. Meine Frau ist auch oft anderer Meinung, was den Geschmack oder Duft eines Tees angeht. Aber man lernt ja stetig dazu. Ich habe mir auch schon mal ueberlegt, mich in der Richtung fortbilden zu lassen. Muss ja nicht gleich der Ocha-Instructor-Kurs sein, der waere mir zu Aufwendig und auch zu teuer. Mal gucken, wann es hier wieder Workshops zum Thema sencha gibt. Matcha scheint da in letzter Zeit mehr nachgefragt zu werden.



Mit kamairichas habe ich bisher ebenfalls sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht. In Ureshino habe ich mal einen tamaryokucha getrunken, der sehr komplex war und viel Tiefe hatte. Preislich spielte der aber auch in einer ganz anderen Liga.   



P.S. Heute morgen gab es den Tee zum japanischen Fruehstueck (gleiche Aufgussmethode, das Wasser kam allerdings aus dem Wasserkocher). Konnte sich geschmacklich auch gegen den gegrillten Lachs behaupten. Ich denke, dass er das Potenzial hat regelmaessig zum Essen in der Tasse zu landen. 

Link zu diesem Kommentar
  • 2 Wochen später...
  • 6 Monate später...

Hallo Luke. Der Tee, den ich dir als Probe mitgeschickt hatte, ist ein anderer. Gekauft habe ich beim oertlichen Tofuladen, die auch eine kleine Ecke fuer landwirtschaftliche Produkte aus der Region haben. Die Verpackung habe ich als Erinnerung aufgehoben mir bei Gelegenheit den Tee noch mal zu besorgen. Die Bezeichnung des Tees lautet: 緑の王様 馬見原釜炒り茶 (midori no osama mamihara kamairicha). Angebaut und hergestellt (自園自製)wird er von 高野園 (takanoen), deren Sitz mit Yamatochou Mamihara angegeben wird. Kommt also aus der gleichen Ecke, wie der oben vorgestellte und koennte rein theortisch der gleiche sein. Allerdings handelt es sich bei dem ja um einen Blend aus Kamairi und bedampften Tee.



Ach ja, teuerer als der Kamairicha Blend war er auch.


Link zu diesem Kommentar

Dein Kommentar

Du kannst jetzt schreiben und Dich später registrieren. Wenn Du ein Konto hast, melde Dich jetzt an, um unter Deinem Benutzernamen zu schreiben.
Hinweis: Dein Beitrag muss vom Moderator freigeschaltet werden, bevor er sichtbar wird.

Gast
Auf dieses Thema antworten...

×   Du hast formatierten Text eingefügt.   Formatierung jetzt entfernen

  Nur 75 Emojis sind erlaubt.

×   Dein Link wurde automatisch eingebettet.   Einbetten rückgängig machen und als Link darstellen

×   Dein vorheriger Inhalt wurde wiederhergestellt.   Editor leeren

×   Du kannst Bilder nicht direkt einfügen. Lade Bilder hoch oder lade sie von einer URL.

×
×
  • Neu erstellen...