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Wie kann ich die Entwicklung junger Shengs besser einschätzen lernen?


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Liebes Forum,

wie kann ich erkennen, ob ein Tee für zukünftige Lagerung geeignet ist und wie lässt sich einschätzen, welchen aromatischen oder gustatorischen Weg, welche Entwicklung ein Tee wahrscheinlich einschlagen wird? Ich möchte mir einen oder mehrere Bings für langfristiges Lagern und Trinken zulegen. Shengs, die mir ob ihrer Komplexität, ihres Charakters und ihres dennoch ausgeglichenen, aber individuellen geschmacklichen Profils gut gefallen haben, waren für mich als singuläre Höhepunkte bislang:

2017 Gua Feng Zhai (Teehaus Schnorr, Frankfurt)
2017 Lincang Maocha (Rivers & Clouds, Lübeck)
2005 Dayou „Emperor's Bing“ Yongde Gushu Sheng (TheTea.pl)
2015 Gao Jia Shan „Cha Duo Tang“ Wild Harvested Hunan Fu Brick Tea (YS, nicht wirklich Sheng)
2019 Spring Yiwu Gushu (Shimmer Bliss Roady/Mei Leaf, London)

Nun habe ich eine größere Sample-Order bei Tea Encounter platziert …

2020 Zhang Jia Wan
2021 Chawangshu Gushu
2021 Gaoshanzhai Gushu
2021 Guafengzhai
2021 Guafengzhai Gushu
2021 Tongqinghe
2021 Yishanmo Gushu
2021 Yiwu Guoyoulin

… und bin etwas konsterniert, wie ich auch bei Sample-Orgien innerhalb eines Jahrgangs in anderen Shop konsterniert war.

Alle diese Tees schmecken zwar nicht gleich, aber ähnlich. Frisch, wenig Adstringenz, milde Bitterkeit, im Mund angenehme Noten von gewendetem Heu, geröstetem Getreide oder trockenen Kräutern. Ich kann keine individuellen Chrakteristiken ausmachen. Fehlt mir die Erfahrung? Kenne ich zu wenig Terroirs? Ich trinke seit ca. 4 Jahren Pu-Erh und sample mich mit einer meiner Einschätzung nach üppig bemessenem Budget durch die einschlägigen Tea Shops.

Ich möchte einen Sheng früh kaufen, um ihn selbst zu lagern und um nicht den Lager-/Reifepreis eines mittelalten oder alten Shengs zahlen zu müssen.

Zwei große Shou-Bings lagern bereits in meiner „Teebibliothek“, jetzt sollen bitte Sheng-Bings dazukommen. Eine hohe zweistellige Zahl an Sample-Päckchen herumliegen zu haben frustriert mich mittlerweile.

Wir sind auch Weintrinker und kaufen Große Gewächse und Erste Lagen deutscher Rot- und Weißweine, sobald sie auf dem Markt sind. Wenn wir einen bissigen Wein auf der Zunge haben, dann wissen wir: Gut, Du kommst in den Keller, in 5-10 Jahren bist Du dann reif und geil, um getrunken zu werden. Nun habe ich den Vorteil, dass der Vater einen Weinkeller sein Eigen nennt und ich die Entwicklung von Weinen dort gut studieren kann. Das gibt Selbstvertrauen für das eigene Urteil über die zukünftige Entwicklung junger Weine.

Für den Ankauf eines Shengs fehlt mir dieses Selbstvertrauen, die dafür nötige Erfahrung, das Wissen – was auch immer. Könnt Ihr mir dazu Tipps geben, gerade auch im Hinblick auf die oben genannten Tees von Tea Encounter? Ich wäre dafür dankbar!

Viele Grüße
Risheehat

Bearbeitet von Risheehat
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Puuhhhh... ein weites Feld :)

Es gibt Leute, die dir Faustregeln geben werden, welche mehr oder weniger zutreffen. Eine ist z.B.: aus minderwertigem Tee wird auch durch Lagerung kein tolles Produkt. Es kommt halt auch darauf an, was überhaupt dein Geschmack ist und was deine Erwartungen sind. Ich mach mir wenig Mühe mit meiner Lagerung und hatte bisher keine richtig negative Entwicklung.

Ich finde es sehr interessant, dass dir alle die Tees so ähnlich schmecken, das ist schon ungewöhnlich.

Lagerung macht natürlich viel aus, wenn du Tees lange zusammen lagerst, wird sich eine "Hausnote" einstellen durch das Mikroklima. Aber dafür hast du die Tees ja nicht lange genug.

Am 15.7.2022 um 16:43 schrieb Risheehat:

Fehlt mir die Erfahrung?

Vermutlich ein wenig, denn Aromatik ist bei Sheng-Nerds oft nicht die erste Priorität. Soll nicht heißen, dass diese keine Rolle spielt! Aber es ist schon ein komplexer Lernprozess. Hast du gängige Quellen konsultiert, wie diverse Blogs und Artikel zur Lagerung? Da wäre ja die Frage, welche technische Lösung dir vorschwebt. Ansonsten würde ich sagen, ausprobieren und herumspielen ist schon wichtig.

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@Risheehat

Erfahrung bekommt man durch lernen und üben.

Lernen/lesen kannst/mußt Du: https://puerh.blog/  

Gut lernen kann man indem man sich einer Teerunde "von alten Hasen" anschließt.

Desweiteren gilt: Scheiß ist billig und Gutes kostet Geld; und bei teuren Tees gibt es auch viel Scheiß!

Schwierig ist es weil Du außer: Das schmeckt mir und das schmeckt mir nicht keine Kriterien hast als Anfänger.

Es dauert Jahre (eigentlich wollte ich Jahrzehnte schreiben - was auch stimmt; aber Anfänger sind meist empfindlich) bis Du eine Ahnung bekommst.

Du wirst dabei  Geld in den Sand setzen - aber auch viel Spaß haben.

 

P.S. Es gilt übrigens die Regel: A bing is a sample;)

d. h. Als Anfänger und das ist man mit vierjähriger Erfahrung kann man keinen Tee an Hand einer Probe beurteilen. Da braucht es schon einiges an Erfahrung. Und es ist notwendig einen Tee über eine lange Zeit zu trinken um wichtige  Veränderungen feststelen zu können.

In welcher Gegend wohnst Du? Vielleicht gibt es ja eine Teegruppe in der Nähe.

 

 

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Danke @Paul für die Blumen! 

Um die Antwort kurz zu machen: gar nicht. 😅

Mit der Zeit kannst du höchstens Warnzeichen erkennen, die sich negativ auf eine langfristige Entwicklung des Tees auswirken können und Tendenzen vermuten, die sich positiv auswirken könnten - aber um heute sagen zu können, wie ein Tee in 10 Jahren sein wird, ist das Thema Sheng VIEL zu komplex. Insbesondere deshalb, weil wie @miig schon angesprochen hat (meiner Meinung nach) der Geschmack bei einem Sheng nur eine untergeordnete Rolle spielt - was Sheng auch so sehr von den übrigen Tee-Sorten oder anderen Dingen wie Wein abhebt, bei denen "nur" etwas so einfaches im Vordergrund steht. Wenn dir diese Punkte weniger wichtig sind ist es etwas einfacher, da sich von den verschiedenen Metriken der Geschmack am ehesten antizipieren lässt: mach möglichst viele vertikale Verkostungen von einer Region von EINEM Produzenten (denn jeder Produzent arbeitet unterschiedlich, was so gravierend sein kann dass zwei Tees aus dem selben Dorf von zwei unterschiedlichen Produzenten komplett unterschiedlich sein können) - so kannst du mögliche Entwicklungen wie z.B. dass sich bei Bulang die initiale Bitterkeit im Laufe der Jahre in eine volle, wilde Süße umwandeln kann (KANN! denn es gibt auch eine qualitativ-bedingte Bitterkeit, die weder gut ist noch je gut wird) am klarsten herauslesen. Du darfst dann nur nicht den Fehler machen, und dieses Wissen zu verallgemeinern (siehe Hinweis zur Produktion), denn das funktioniert meist nicht wirklich gut (und ist sehr verlockend, so dass selbst alte Hasen den Fehler häufig machen und erfolglos versuchen andere Tees die Erkenntnisse vom wohlbekannten Haus-und-Hof-Produzenten aufzuzwingen).

Das ganze hat nur einen Haken: das ganze kostet viel Geld und SEHR viel Zeit - ich hab aktuell 777 Tee-Notizen seit 2016 in meinem Blog und würde mich bei Leibe nicht als Experten bezeichnen, nur als "Durstiger" (sowohl hinsichtlich Tee und Tee-Wissen 😉). Und leider ist es viel zu oft auch nicht möglich, denn gerade bei kleineren Produzenten, die interessante Shengs machen hast du quasi nie die Chance auf einen Schlag zich Jahrgänge zu kaufen, weil auf Grund der sehr geringen Produktionsmenge ein Jahrgang schnell vergriffen ist. Das wiederum bringt mich zu deiner "Beschwerde": das ist bei deiner genannten Bestellung gar nicht so verwunderlich, denn ALLE Tees stammen aus Yiwu also ein sehr ähnliches Terroir - ich kenn mich mit Wein null aus aber das ist wie wenn du zwei Rotweine aus dem Remstal miteinander vergleichst, da ist der Unterscheid vermutlich auch weniger groß wie wenn du einen deutschen und australischen Wein miteinander vergleichst. Diese horizontale Verkostung bringt dir zwar nix hinsichtlich Erkenntnissen zur Entwicklung von Shengs, wohl aber verbreitert Sie dein Wissen was die Unterschiede innerhalb einer Region betrifft (was genau so wichtig ist).

Daher die Empfehlung: scheiß drauf - kauf dir die Tees, die dir jetzt schmecken - bei den stets steigenden Preisen für junge Shengs bist du vermutlich sogar noch billiger dran, wenn du semi-aged Shengs kaufst ... sofern denn verfügbar, denn wie Paul schon sagte ist sehr viel Scheiß auf dem Markt. Wenn du einen Eindruck von sehr unterschiedlichen jungen Shengs haben möchtest: Tea Encounter kennst du ja jetzt schon (Tiago hat eine sehr leichte, dezente Handschrift) - leg dir daher mal etwas von pu-erh.sk (Disclaimer: mit Peter bin ich befreundet), am besten nicht nur ein Jahrgang denn die letzten 3 sind KOMPLETT unterschiedlich, und Jingsong Yu (z.B. via @teekontorkiel) zu - da erkennt man schön sehr unterschiedliche Charaktere. 

Ansonsten: VIEL lesen hilft die verwirrende Vielfalt zu ordnen (oder noch schlimmer zu machen), aber wirkliches Wissen bekommst du nur durch das eigene Tun, was wie Paul schon sagte deutlich leichter in Gesellschaft von anderen Mit-Trinkern ist 🙂

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Am 15.7.2022 um 16:43 schrieb Risheehat:

wie kann ich erkennen, ob ein Tee für zukünftige Lagerung geeignet ist

Ich versuche es so konkret wie möglich auf den Punkt zu bringen:

Wenn die Aufgussfarbe grün ist, ist er nicht korrekt produziert, dann ist er eher Grüntee als Sheng und folglich eher zeitnah zu konsumieren.
Ein korrekt verarbeiteter Sheng weist jung eine goldene Aufgussfarbe auf, und solch einer ist grundsätzlich als lager-/entwicklungsfähig einzustufen.

Dann zur Lagerung:

- auf keinen Fall eine interne Befeuchtung innerhalb eines Lagergefässes verwenden - Pumidor u.ä. - schon etlichen ist auf diese Weise mit der Zeit ihre Pu-Sammlung verschimmelt und es gab auch schon (erst nach ein, zwei Jahren erkenntlich, wenn es zu spät ist) geschmacklich sehr negative Entwicklungen ... aber von solch Negativem berichten Teetrinker wesentlich weniger oft weil weniger gerne, wie wenn sie zu Beginn euphorisch zu pumidoren beginnen, dann lassen sie es in ihrer unwissenden Begeisterung das ganze Internet wissen und locken so immer neue Opfer in die Falle

- wer auf Nummer sicher gehen will tut sich unglasierte, natürlich riechende Tontöpfe mit Deckeln zu - damit ist die Entwicklung zwar langsam und dry und clean, aber auch sehr erhaltend und geschützt

- wer günstiger und eine schnellere Entwicklung möchte, kann sich einen grossen, dichten Bambus-Wäschekorb zutun, darin kann man gut 50 Fladen verstauen, aber Achtung, er darf inwändig nur natürlich und nicht chemisch riechen (muss man testen)

Bearbeitet von GoldenTurtle
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